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SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

«Männer haben mehr Humor als Frauen»-Beitrag von Hazel Brugger auf Radio SRF 1 beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 3. Januar 2019 beanstandeten Sie den Beitrag «Männer haben mehr Humor als Frauen» von Hazel Brugger im Nachmittagsprogramm von Radio SRF 1 am 31. Dezember 2018.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Ich beanstande die Sendung mit dem Beitrag von Hazel Brugger betreffend ‘unerigierter Penis’. Diese Beitrag verletzt die Menschenwürde und ist sexistisch.

Frau Brugger elaboriert gefühlte 5 Minuten über den ‘unerigierter Penis’ und mach sich darüber lustig und verletzt da Männer, die infolge Prostataoperation keinen ‘erigierte Penis’ mehr haben können. Auch wenn Hazel Brugger Comedy macht, heisst das nicht, dass man sich über ein Geschlechtsteil (männlich oder weiblich spielt keine Rolle) dermassen lustig machen muss.

Leider gibt es immer wieder Comedian, die sich geschmacklos (und nicht lustig) über andere Menschen amüsieren. Ich durfte an einem Pensioniertenanlass (lauter alte Leute) auch schon Claudio Zuccolini erleben, wie er sich über Bewohner eines Altersheimes belustigt hatte. Unter anderem hat er sich an diesem Anlass über den Uringeschmack in solchen Heimen ergöttert, über Leute an Rollatoren erheitert etc.

Ich persönlich, mit den Folgen einer Prostataoperation habe mich durch den Beitrag von Hazel Brugger sehr betroffen gefühlt. Der Vergleich von einem ‘unerigierten Penis’ mit einem gebückten Mann, der 2 vollgestopfte lederne Säcke (damit waren die Hoden gemeint) hinter sich herzieht... Es genügt scheinbar nicht, dass ein Mann nach einer Prostataoperation seelisch verletzt ist, weil er den Lebenspartner bsp nicht mehr voll befriedigen kann, nein, man muss auch noch als Belustigungsvorlage für Hazel Brugger dienen.

Wenn ich mich früher über meine Kunden dermassen belustigt hätte, hätte ich bald keine Kunden und kein Einkommen mehr gehabt. Aber beim SRF ist das ja anders, da können die Kunden davonlaufen, aber zahlen müssen sie trotzdem!»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Die Antwort kam von Frau Dr. Anina Barandun, Redaktionsleiterin Hörspiel und Satire SRF:

«Der satirische Beitrag ‘Männer haben mehr Humor als Frauen’ von Hazel Brugger, den Radio SRF 1 an Silvester kurz vor 14.30 Uhr ausgestrahlt hat, wurde von Herrn X beanstandet. Herr X sieht in diesem Beitrag eine Verletzung der Menschenwürde und dahinter eine sexistische Haltung. Zu dieser Beanstandung nehme ich als eine der verantwortlichen Redakteurinnen des Silvesterprogramms und als Leiterin der Redaktion Hörspiel und Satire Stellung.

Hazel Brugger bezeichnet in ihrem satirischen Beitrag ‘Männer haben mehr Humor als Frauen’, aufgenommen im Rahmen des renommierten WDR Kabarett-Fests, einen nicht erigierten Penis als ‘kümmerliche Fleischpatrone’ und ‘kleinen Mann’, der zwei ‘mega überfüllte, abgewetzte, ausgeleierte, lederne Müllsäcke’ hinter sich herziehe. Man kann diese Vergleiche geschmacklos, pubertär oder einfach nicht lustig finden. Sexistisch oder gar diskriminierend sind sie mit Sicherheit nicht. Denn Bruggers Aussagen stellen keine ‘ungerechtfertigte Herabwürdigung’ dar, die ‘an ein verpöntes Unterscheidungsmerkmal anknüpft’ [2]. Ein Penis – erigiert oder nicht erigiert – ist das primäre Geschlechtsmerkmal aller Männer, unabhängig ihrer sozialen oder ethnischen Herkunft, ihrer Religion, politischen Überzeugung oder sexuellen Orientierung.

Hazel Bruggers Beitrag ist nicht männerfeindlich, sondern ein ironisches Spiel. Darauf deutet allein der Titel des Beitrags hin: ‘Männer haben mehr Humor als Frauen’: Das kann eine vielfach ausgezeichnete Satirikerin nur ironisch meinen. Man(n) ist also gewarnt.

Der Kabarettist Michael Elsener, unser Studiogast am Silvesternachmittag, hat sich diesen Beitrag von Hazel Brugger aus einem klaren Grund gewünscht: Er schätze die junge Kabarettistin, weil sie ihn immer wieder überrasche und Sachverhalte, die er eigentlich zu kennen glaube, in einem neuen Licht erscheinen lasse. Und genau das tut Hazel Brugger denn auch:

Mit ihrem Beitrag spielt die Bühnenkünstlerin auf das verbreitete Klischee an, es gebe deshalb deutlich weniger Kabarettistinnen als Kabarettisten, weil Frauen weniger Sinn für Humor hätten. Hazel Brugger – eine der erfolgreichsten Kabarettistinnen unserer Tage – ist der lebende Gegenbeweis dieser (frauenfeindlichen) These. Sie kontert den Gemeinplatz geschickt, indem sie ihn, scheinbar, bestätigt. Als Begründung führt sie aber nicht etwa eine grössere Geisteskraft (eine Voraussetzung für Humorfähigkeit) des Mannes ins Feld, sondern seine angeborene Gelassenheit, mit der er täglich auf sein unerigiertes Glied schaue. Mit dieser Pointe untergräbt Hazel Brugger das Vorurteil, Frauen könnten auf der Bühne zwar attraktiv und sexy, aber nicht wirklich geistreich und schlagfertig sein. Diese ironische Verdrehung der Mann-Frau-Klischees (der Mann als ebenso schwaches Geschlecht wie die Frau) zieht Hazel Brugger konsequent weiter, bis sie schliesslich – und dies durchaus versöhnlich – für nichts Anderes plädiert als für mehr Selbstironie und Unverklemmtheit sowohl von Frauen als auch von Männern.

Wenn sich ein Zuhörer oder eine Zuhörerin durch einen unserer Beiträge persönlich verletzt fühlt, ist das in keinem Fall auf eine Absicht unsererseits oder stillschweigende Akzeptanz zurückzuführen. Daher bedaure ich es sehr, dass Herr X sich den Silvesternachmittag durch diesen Beitrag trüben liess. Dass Hazel Brugger bei ihrem Text nicht an (ältere) Männer mit Erektionsproblemen aus gesundheitlichen Gründen gedacht hat, scheint mir allerdings unmissverständlich, denn sie macht mit keinem Wort eine entsprechende Anspielung. Sie sagt vielmehr: Männer sehen ‘von Babyalter an aufwärts’, sie sehen ‘jeden Tag von ihrem Leben’ ihren unerigierten Penis. Das sei die conditio humana des Mannes. Weil darin (zum Glück) aber auch unser aller Ursprung stecke, sagt Hazel Brugger, selbstverständlich in fortwährend ironischem Tonfall: ‘Ich mach mich nicht (...) lustig, im Gegenteil, ich bin Riesenfan.’

Satire, Comedy und Humor zielen nie auf ein Einzelschicksal ab. Sie nehmen allgemein bekannte Grundmuster und typische Verhaltensformen aufs Korn. Denken wir an Emil, an seine berühmte Nummer mit dem Kinderwagen oder an sein Telefonat als frisch gebackener Vater von Fünflingen: Sollten wir uns von Emil verabschieden, weil sich Eltern, die ihre Kinder bei der Geburt oder in den ersten Lebenswochen verloren haben, bei diesen Nummern verletzt fühlen könnten? Wichtig ist, dass man über Inhalte, die man in einem satirischen Format präsentiert, auch ernsthaft sprechen kann. Aber eben alles zu seiner Zeit und am richtigen Ort. In einer Satiresendung, die klar als solche erkennbar ist, darf und soll gelacht werden – nicht zuletzt, weil wir wissen: <Rire, c’est bon pour la santé!>

Zum Auftritt von Claudio Zuccolini an einem Pensioniertenanlass, den Herr X besucht und als ‘geschmacklos’ empfunden hat, kann ich mich nicht äussern, weil wir daran in keiner Form beteiligt waren.

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Einspielung. Ich verstehe gut, dass der Beitrag Sie in Ihrer Situation betroffen machte und dass Sie keineswegs erheitert, sondern deprimiert waren durch die Art und Weise, wie Hazel Brugger über den unerigierten Penis sprach. Ich bin allerdings sicher, dass Hazel Brugger überhaupt nicht an Männer dachte, die eine Prostata-Operation hinter sich haben, und schon gar nicht diese im Visier hatte. Dass Sie sich in Ihrer Menschenwürde verletzt sehen, kann ich nachvollziehen. Und dass bei Ihnen dieser Effekt entstand, tut mir leid.

Meine Aufgabe ist es allerdings zu prüfen, ob die Einspielung von Hazel Brugger aufs Gesamtpublikum bezogen das Radio- und Fernsehgesetz verletzt. Ist der Beitrag diskriminierend? Missachtet er Grundrechte? Wird die Menschenwürde der Männer geschmälert?

Ausgangspunkt der Betrachtung ist eine Studie, die ergab, dass Männer wie Frauen den Humor des Partners als das Wichtigste in einer Paarbeziehung betrachten. Sie ergab weiter, dass Männer über mehr Humor verfügen als Frauen. Daraus schloss Hazel Brugger, dass eine Frau einen Mann als humorvoll empfinden, wenn er sie zum Lachen bringt, und dass ein Mann eine Frau als humorvoll empfinden, wenn sie über seine Witze lacht. Und Hazel Brugger folgert, dass Männer in der Tat mehr Humor haben müssen, denn der unerigierte Penis sei «das witzigste Bild der Welt». Aber wenn Sie genau hingehört haben, macht sich die Komödiantin über die «kümmerliche Fleischpatrone» nicht nur lustig, sondern bewundert sie auch: Sie – Hazel Brugger - sei «ein Riesenfan», das Ding sei «ein Geschenk», denn von ihm hänge die Fortpflanzung der Menschheit ab. Im durchaus widersprüchlichen Beitrag wird das primäre Geschlechtsorgan des Mannes gleichzeitig lächerlich gemacht und glorifiziert. Sie nutzt dabei den Freiraum von Satire und Comedy.

Wenn ich einen solchen Beitrag zu bewerten habe, dann ist der zuverlässigste Indikator, wie ich selber darauf reagiert habe - als Zuhörer, als Mann. Wie nämlich? Ich habe über den Beitrag geschmunzelt, ja gelacht. Ich fühlte mich als Mann nicht diskriminiert, und ich habe auch nicht den Eindruck, dass die Männerwelt insgesamt herabgewürdigt wurde. Der Mann wird nicht auf sein primäres Geschlechtsorgan reduziert, sondern ganzheitlich gezeigt – als Mensch mit Humor, als jemand, der von Kindsbeinen an auf sein lächerliches Ding herabblickt und der für die Fortpflanzung der Menschheit sorgt. So gesehen, kann ich Ihre Beanstandung bezogen aufs Gesamtpublikum nicht unterstützen, auch wenn ich großes Verständnis für Ihre Betroffenheit in Ihrer spezifischen Situation habe.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1]

[2] www.humanrights.ch

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