SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

«Tagesschau am Mittag»-Kurzmeldung über Beschuss von Zielen in Syrien durch Israel beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 21. Januar 2019 beanstandeten Sie die «Tagesschau am Mittag» vom gleichen Tag und dort die Kurzmeldung über den Beschuss von Zielen in Syrien durch Israel. [1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Im ersten Schweizer Fernsehen (SRF1) wurde heute (21.1.19) in der Tagesschau vom Mittag (12'45 - 12'55 h) von der Sprecherin festgehalten, dass die israelische Armee Raketen auf syrisches Gebiet geschossen hat. Die Sprecherin hat es unterlassen, zu erklären, dass vorher von Syrien mindestens eine Rakete ins Skigebiet am Hermongebirge geschossen worden ist. Dieser Raketenbeschuss ist von mehreren zivilen Augenzeugen bestätigt worden und wurde in diversen ausländischen Medien auch so inhaltlich mitgeteilt.

Die israelische Raketenbeschuss in Richtung Syrien war eine Reaktion auf einen Angriff von Syrien aus. Das heisst, die Agression ging von Syrien aus. Dies hätte zwingend im Beitrag erwähnt werden müssen. Die selektive Berichterstattung ist eine klare Missachtung des Sachgerechtigkeitsgebots .»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Tagesschau» antwortete Herr Franz Lustenberger, ehemaliger stellvertretender Redaktionsleiter:

«Mit Mail vom 21. Januar hat Herr X eine Beanstandung gegen die Tagesschau am Mittag vom gleichen Tag eingereicht. Es geht um eine kurze Meldung, welche den Beschuss syrischen Territoriums durch die israelische Armee zum Gegenstand hat (ab 05:39).

Die zuständige Videoredaktion und die Senderedaktion Tagesschau nehmen dazu wie folgt Stellung:

Israel/Syrien

Im Sechs-Tage-Krieg im Jahre 1967 hat die israelische Armee syrisches Territorium auf dem Golan erobert und besetzt. Israel gründete in der Folge Siedlungen auf den dünn besiedelten Golanhöhen. Im Jahre 1981 annektierte Israel das Gebiet faktisch, indem es seine Gesetze und seine Verwaltung auf dieses Gebiet ausweitete. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat diese faktische Annexion in der Resolution 497 vom 17. Dezember 1981 für null und nichtig erklärt. Diese Annexion widerspricht dem Völkerrecht.

Nach dem Ende des Jom-Kippur-Krieges im Jahre 1973 schlossen Israel und Syrien im Jahre 1974 ein Waffenstillstandsabkommen; ausserdem wurde eine Pufferzone unter Beobachtung von UNO-Blauhelmen eingerichtet. Weitergehende Verhandlungen über einen Friedensschluss zwischen den beiden Staaten scheiterten. Dieser Waffenstillstand unter Beobachtung der UNO sorgte über Jahrzehnte für eine relative Ruhe an der syrisch-israelischen Grenze auf dem Golan.

Krieg in Syrien

Mit dem Krieg in Syrien und insbesondere mit dem militärischen Engagement des Irans auf Seiten der Regierung al-Assad hat sich die Situation wesentlich geändert. Israel betrachtet den Iran als Hauptfeind im Nahen Osten; seine Militäraktionen in Syrien richten sich klar gegen den wachsenden iranischen Einfluss in diesem Nachbarland. Israel sieht sich durch die Präsenz des Iran in Syrien bedroht.

Fokus der Meldung

Die Meldung über den israelischen Luftangriff auf Ziele in Syrien am Montag früh nimmt Bezug auf die veränderten Realitäten in Syrien. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat einen Tag zuvor auf diesen Zusammenhang hingewiesen und in klaren Worten die Zielsetzungen definiert. In der beanstandeten Tagesschau-Meldung kommt als einzige Person Benjamin Netanjahu zu Wort, der exakt auf die iranische Bedrohung verweist und so Angriffe in Syrien rechtfertigt.

Die Tagesschau hat in ihrer Meldung den vorherigen Beschuss des Skigebietes im Hermongebirge nicht erwähnt, sie hat dagegen ganz bewusst den grösseren militär-strategischen Hintergrund des israelischen Luftangriffs in Syrien in den Vordergrund gestellt. Die ins Visier genommenen Ziele der israelischen Luftwaffe (Flughafen von Damaskus, Waffenlager, iranische Trainingslager) deuten ebenfalls klar darauf hin, dass es nicht um eine lokale Vergeltung für einen Raketenbeschuss in einem Skigebiet ging, sondern um einen Schlag gegen die iranische Präsenz in Syrien.

Fazit

Die Tagesschau hat über den Schlag der israelischen Luftwaffe gegen Ziele in Syrien berichtet. Sie hat ihn in den grösseren militär-strategischen Zusammenhang gestellt, indem Premierminister Netanjahu die grundsätzliche Haltung Israels vertreten konnte. Die Meldung war in einen grösseren Zusammenhang eingebunden und sachgerecht.

Ich bitte Sie, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Kurzmeldung. Man mag zur Politik Irans stehen wie man will, man mag die Reformbemühungen unter den Regierungen von Präsident Khatami (1997-2005) und von Präsident Rohani (seit 2013) sowie das Atomabkommen begrüssen, doch in einem Punkt hat sich das Mullah-Regime nicht geändert: in der Feindschaft Israel gegenüber. Die Politik der Islamischen Republik Iran war von Anfang an anti-israelisch, ja antisemitisch. Die iranischen Juden wurden in den Exodus getrieben. Das Existenzrecht Israels wurde nicht mehr anerkannt. Israel fühlt sich daher von Iran nicht ohne Grund bedroht, erst recht, seit Iran im Syrienkonflikt militärisch präsent ist und damit mit seinen Truppen und Waffen ganz nahe an die israelische Grenze herangerückt ist. Die Kurzmeldung, die Sie beanstanden, stand in diesem Zusammenhang und hat mit den klassischen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Israel und Gaza, Israel und Libanon oder Israel und Syrien nichts zu tun, sondern beschrieb israelische Angriffe auf iranische Ziele in Syrien. Herr Lustenberger hat die Kurzmeldung vollkommen richtig eingeordnet. Es war sachgerecht, keinen Bezug zum syrischen Beschuss des Skigebiets am Hebron herzustellen. Weil also die Meldung korrekt war, kann ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1] https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau-am-mittag/video/tagesschau-vom-21-01-2019-1245?id=1019222c-8522-4205-afd2-5eb3b44f037

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