Illustration: Zeigefinger streckt sich in die Luft
SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

«Tagesschau»-Beitrag «Pensionskassen leiden unter tiefen Zinsen» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 6. Januar 2019 beanstandeten Sie die «Tagesschau» (Fernsehen SRF) vom 5. Januar 2019 und dort den Beitrag «Pensionskassen leiden unter tiefen Zinsen».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«(Etwas feinfühlig) Ihre Hetzt (Tagesschau) als Beitrag zum Rentenproblem ‘Die Alten nehmen die Jungen aus’, ist absolut diskriminierend und einseitig, extrem formuliert grenzt diese Aussage an Rassismus. Die Alten zahlten über Jahrzehnte Beiträge an die Rentenversicherungen. Aber das wird übersehen. Der ganze Beitrag ist eine Lobby-Arbeit für die Rentenkassen, unerhört und von einer fundierten, objektiven Berichterstattung entfernt. Kein Wort über die Milliardengewinne, die generiert wurden, kein Wort über die irrwitzigen Verwaltungskosten je Versicherungsnehmer usw. Die Versicherer machten letztes Jahr keine Gewinne mehr, schon hauen sie wieder um sich mit fadenscheinigen Vorwürfen, <die Alten leben auf Kosten der Jungen>, transportiert durch die Tagesschau.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Tagesschau» antwortete Herr Franz Lustenberger, ehemaliger stellvertretender Redaktionsleiter der Sendung:

«Mit Mail vom 6. Januar hat Herr X eine Beanstandung gegen die Tagesschau eingereicht. Es geht um den Bericht zu den Folgen der Tiefzinspolitik auf die Pensionskassen.

Probleme der 2. Säule

Dem Beanstander ist beizupflichten, dass <die Alten über Jahrzehnte Beiträge an die Rentenversicherungen> bezahlt haben. Die 2. Säule, also die berufliche Vorsorge, beruht auf dem Kapitaldeckungsverfahren. Durch die Einzahlung von Beiträgen wird sukzessive ein Altersguthaben für jede versicherte Person geäufnet. Die Akkumulation des Kapitals wird durch die am Kapitalmarkt erwirtschafteten Renditen gestärkt. Am Ende des Sparprozesses wird das Altersguthaben mit dem obligatorischen Umwandlungssatz in eine Rente umgewandelt, wobei auch Kapitalleistungen möglich sind.

Das Prinzip ist einfach und leicht verständlich. Allerdings geht die Rechnung seit einigen Jahren nicht mehr auf [2]; es entstehen beträchtliche Deckungslücken. Der Grund liegt in den gesetzlich garantierten Renten, die vor Jahren festgelegt wurden: Einerseits ist die Lebenserwartung deutlich gestiegen, weshalb die Renten für eine längere Zeit ausbezahlt werden müssen (Stichwort Umwandlungssatz). Andererseits sind die Zinsen gefallen und verharren seit Jahren auf einem sehr tiefen Niveau, was die die zu erzielende Rendite auf dem Vorsorgekapital schmälert (Stichwort Mindestzins).

Ich möchte nicht auf alle beigelegten Dokumente (Studien, Untersuchungen) im Detail eingehen; sie kommen aber alle zum Schluss, dass derzeit in der 2. Säule eine Umverteilung von der aktiven Generation und den Arbeitgebern, welche gemeinsam durch Beiträge die 2. Säule finanzieren, zu den Rentnerinnen und Rentnern passiert.

Die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge OAK BV beziffert in ihrem Jahresbericht für das Jahr 2017 die Umverteilung von aktiven Versicherten und Arbeitgebern zu Rentenbezügern auf rund 7 Milliarden Franken. Die Kommission hält fest, dass der Gesetzgeber die Lebenserwartung ‘zu pessimistisch’ und in Bezug auf die Anlagerenditen ‘zu optimistisch’ war.[3]

Der beanstandete Beitrag zeigt die laufende Umverteilung aufgrund einer neuen Studie auf. Die ganz junge Generation ist doppelt betroffen: Einerseits wird Geld zu den jetzigen Rentenbezügern umverteilt. Andererseits findet in der gegenwärtigen Tiefstzinsphase mit teils negativen Zinssätzen eine Umverteilung zur mittleren Generation statt, damit deren Kapital zum festgelegten Mindestsatz überhaupt wachsen kann. Der Beitrag ist in keiner Art und Weise polemisch. Er zeigt Fakten auf, er weist auf den eher neuen Aspekt der Umverteilung innerhalb der beruflich aktiven Generation hin.

Gewinne und Verwaltungskosten

Die Verwaltung der Pensionskassen obliegt den Arbeitgebern und Arbeitnehmenden gemeinsam. In Art. 51 des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge BVG ist geregelt, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber das Recht haben, in das oberste Organ der Vorsorgeeinrichtung die gleiche Zahl von Vertretern zu entsenden.[4] Die vom Beanstander erwähnten ‘Milliardengewinne’, respektive die ‘irrwitzigen Verwaltungskosten’ liegen im Verantwortungsbereich der Vertreter der Sozialpartner, also von Arbeitnehmern und Arbeitgebern der entsprechenden Vorsorgeeinrichtung.

Das Schweizer Fernsehen hat das Thema der Entschädigung von Pensionskassenverwaltungen in der Vergangenheit auch schon aufgegriffen. Beispielsweise im Zusammenhang mit dem Lohn des Leiters der Pensionskasse BVK.[5]

Die Wirtschaftsredaktion und die Senderedaktion Tagesschau lehnen zudem den Vorwurf ab, mit diesem Beitrag Hetze betrieben zu haben. Die vom Beanstander erwähnten Sätze <Die Alten nehmen die Jungen aus> oder <Die Alten leben auf Kosten der Jungen> finden sich nicht im Beitrag. Wenn das Problem der Umverteilung im heutigen Rentensystem angesprochen und behandelt wird, ist dies weder ‘diskriminierend’ noch ‘grenzt es an Rassismus’.

Fazit

Die Tagesschau hat sachlich über eine neue Studie zum Problem der Umverteilung innerhalb der 2. Säule berichtet. Sie hat explizit gesagt, dass es einfache Lösungen nicht gibt. Sie hat in keiner Art und Weise polemisiert. Ich bitte Sie, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Sie prügeln den Briefträger für die schlechte Nachricht statt den Absender. Der Briefträger, das ist die «Tagesschau». Die «Tagesschau» hat korrekt über eine neue Studie von Yvonne Seiler Zimmermann, Professorin für Banking und Finance an der Hochschule Luzern und am Institut für Finanzdienstleistungen in Zug (IFZ) [6], sowie von Heinz Zimmermann, Professor für Finanzmarkttheorie an der Universität Basel [7], berichtet. Professorin Seiler Zimmermann erläutert die Befunde in der Sendung, und beide haben darüber auch einen ausführlichen Artikel geschrieben.[8] Aber auch das Duo Seiler-Zimmermann stellen nicht die Absender dar, die man prügeln müsste, denn sie analysieren nur Fakten, die die Folgen der geringen Geburtenrate und der längeren Lebenserwartung sind, was zu einer Alterspyramide führt, die nicht wie eigentlich ganz normal unten breit und oben schmal ist, sondern die wegen der Überalterung eine ganz eigenwillige Form angenommen hat. Prügeln müsste man also die Zustände. Ich empfehle Ihnen, die sachkundigen Ausführungen, die Herr Lustenberger dazu macht, und die Beilagen genau zu studieren.

Sie gehören offensichtlich zur älteren Generation (wie ich auch) und fühlen sich beleidigt, weil in allen Analysen des Rentensystems zum Ausdruck kommt, dass die ältere Generation auf Kosten der jüngeren, die aktiv im Berufsleben steht, profitiert, weil diese nicht mehr Aussicht auf gleich gute Renten hat. Es ist aber nicht die Sendung, die Sie beleidigt, sondern die Demografie. Sollen wir deswegen die Medizin, die bessere Ernährung und die differenzierte Energieversorgung beklagen? Es ist klar, dass die Rentenpolitik Antworten auf die ungesunde Umverteilung finden muss. Aber es ist ziemlich deplatziert, wenn Sie deswegen die «Tagesschau» als diskriminierend und rassistisch beschimpfen. Diskriminiert wären die Alten, wenn die Moderatorin oder der Off-Kommentar die über 65-Jährigen verspottet, lächerlich gemacht oder ins Pfefferland gewünscht hätten. Das war aber nicht der Fall. Und Rassismus kommt sowieso nicht in Frage. Denn die Pensionierten sind keine Ethnie. Sie bestehen aus Angehörigen aller möglichen Nationen und regionalen Zugehörigkeiten. Der Beitrag der «Tagesschau» war deshalb alles andere als eine «Hetze». Er hat nüchtern ein Problem dargelegt. Ich kann deshalb Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1] https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/pensionskassen-leiden-unter-tiefen-zinsen?id=3f5e3a72-dc97-415a-bba7-fcc817e10a3b

[2] Vgl. Beilage Pensionskasse

[3] https://www.oak-bv.admin.ch/inhalte/Startseite/Medienmitteilungen/2018/Mediendokumentation_08052018_Deutsch.pdf

[4] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19820152/index.html

[5] https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/stiftungsrat-ueberdenkt-lohnerhoehung-fuer-bvk-chef?id=30221094-c9c1-4417-8a77-d1f1cfed26b8

https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/kehrtwende-bei-bvk?id=f0d4cc24-7997-4956-826a-5a887a2e45ab

[6] https://www.hslu.ch/de-ch/hochschule-luzern/ueber-uns/personensuche/profile/?pid=739

[7] https://wwz.unibas.ch/de/zimmermann/

[8] https://blog.hslu.ch/ifz/files/2018/03/Seiler-Zimmermann-Yvonne_Zimmermann-Heinz_Pensionskassen-Potenzial-fuer-Umverteilung-ist-gross_Volkswirtschaft_März-2018.pdf

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