
Medienauftritt von Esther Friedli vor Ständeratswahl unter der Lupe
Bis wann dürfen Kandidierende für ein politisches Amt in den Medien zu Wort kommen? Was gilt es bei einem medialen Auftritt zu beachten? Mit diesen Fragen hatte sich die Ombudsstelle aufgrund einer Beanstandung zu befassen. Ein Fernsehzuschauer ist der Ansicht, SRF habe mit dem Auftritt von Ständeratskandidatin Esther Friedli in der «Tagesschau» vom 8. März 2023 gegen programmrechtliche Bestimmungen verstossen. Die Ombudsleute sehen es anders und differenzieren.
Vor Wahlen und Abstimmungen gelten im Journalismus besondere Sorgfaltspflichten und gesetzliche Bestimmungen. Darunter fallen auch Medienauftritte von Kandidierenden kurz vor einem Wahltermin. So müssen beispielsweise zwei Monate vor Ständeratswahlen die Kandidierenden gleichbehandelt werden und gleich oft zu Wort kommen.
Ein Beanstander kritisiert den Auftritt von Esther Friedli in einem Beitrag der «Tagesschau»-Hauptausgabe vom 8. März 2023. Darin ging es um eine Debatte im Nationalrat zur künftigen Schweizer Agrarpolitik. Vier Tage nach der Ausstrahlung stellte sich Esther Friedli der St. Galler Stimmbevölkerung an der Urne als Ständeratskandidatin. Sie wurde im zweiten Wahlgang in den Ständerat gewählt. Der Beanstander moniert, Esther Friedli habe durch ihren Auftritt in der «Tagesschau» eine einseitige Publizität erhalten und sei damit gegenüber den anderen Kandidatinnen im Vorteil gewesen.
Ausnahmeregelungen
Die verantwortliche Redaktion anerkennt, dass es vor Wahlen und Abstimmungen besondere Sorgfaltspflichten zu berücksichtigen gilt. Sie zitiert aus den publizistischen Leitlinien von SRF, wonach unmittelbar vor Wahlen ohne einen speziellen, meistens in zwingender Aktualität liegenden, Grund keine Einzelporträts und Einzelinterviews publiziert werden dürfen. Ausgenommen sind fachlich und mit wichtiger Aktualität begründbare Auftritte. Um genau so einen Auftritt habe es sich im vorliegenden Fall gehalten, ist die Redaktion überzeugt.
Beim 15-sekündigen Auftritt Esther Friedlis in der «Tagesschau» habe es sich weder um ein Einzelporträt noch um ein Einzelinterview kurz vor Wahlen gehandelt, so die Redaktion. Der beanstandete Beitrag habe die Agrarpolitik ab 2022 und die Zukunft der Schweizer Landwirtschaft behandelt. Konkret sei es um die Neuauflage eines Gesetzesvorschlags des Bundesrats gegangen. Esther Friedli habe ihre Aussage nicht als Ständeratskandidatin, sondern als Sprecherin der nationalrätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben gemacht, deren Vizepräsidentin sie sei. Friedlis Auftritt sei fachlich (Kommissionssprecherin) und aktuell (Debatte im Nationalrat am gleichen Tag) begründet gewesen.
Prädestiniertes Votum
Nach Auffassung der Ombudsleute sei die damalige Nationalrätin Esther Friedli prädestiniert gewesen, mit ihrem Ratsvotum wiedergegeben zu werden: Als Vizepräsidentin der nationalrätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben und Sprecherin der traktandierten Vorlage. Zudem sei es in diesem Teil des Beitrags explizit um die Haltung der Bürgerlichen in dieser Kommission gegangen. Schliesslich sei Esther Friedli eine ausgewiesene Landwirtschaftspolitikerin. In der genannten Kommission gebe es bei diesem Thema kein vergleichbar engagiertes bürgerliches Kommissionsmitglied.
Es gehe nicht an, dass aufgrund von Wahlen Voten von sachkompetenten Parlamentsmitgliedern nicht öffentlich wiedergegeben werden dürften, halten die Ombudsleute fest. Sie sehen deshalb keinen Verstoss gegen programmrechtliche Bestimmungen.
«Tagesschau» vom 8. März 2023:
- Beitrag: «Nationalrat nimmt zweiten Anlauf für Vorlage zur Agrarpolitik», Timecode 6:00
Text: SRG.D/dl
Bild: SRG.D/Illustration Cleverclip
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