Illustration: Zeigefinger streckt sich in die Luft
SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

Beitrag «Europas Staaten drängen den Bundesrat zum Handeln» von «Tagesschau» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 15. Februar 2019 haben Sie den «Tagesschau»-Beitrag «Europas Staaten drän­gen den Bundesrat zum Handeln» vom 14. Februar 2019 beanstandet. Ihre Eingabe erfüllt die forma­len Voraussetzungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandungwie folgt:

Ich beanstande hierbei die Tagesschau Hauptausgabe vom 14.2.2019. Es geht mir um den Beitrag zum Rahmenabkommen. Dort kamen zwei Unternehmer zu Wort, einer aus dem Kanton Bern, der im Export tätig ist, und ein Vertreter der SVP. Soweit eigentlich gut, dass beide Seiten zu Wort kommen. So soll es auch sein. Wieso aber wurde beim SVP-Vertreter darauf hingewiesen, dass dieser nicht im Export tätig ist? Es ist für mich eindeutig, dass man hier seitens der SRG präventiv versucht hat, die Aussage und Glaubwürdigkeit dieses Herrn mit Bezug auf das Rahmenabkommen negativ zu beein­flussen (so nach dem Motto: der ist nicht im Export, also ist er vom Rahmenabkommen eh nicht so betroffen..). Oder anders ausgedrückt: Es gibt genügend Unternehmer, welche im Export tätig sind, und sich gegen dieses Rahmenabkommen stellen. Hätte man nicht so einen Unternehmer befragen können? Dann wären zwei Exporteure mit unterschiedlichen Meinungen zu Wort gekommen. Auch hier zeigt sich einmal wieder die bewusste, einseitige Einflussnahme der SRG. Von neutraler Berichterstat­tung ist hier schon lange keine Rede mehr.

B. Ihre Beanstandung wurde der zuständigen Redaktion zur Stellungnahme vorgelegt. Herr Franz Lustenberger, ehemaliger stellvertretender Redaktionsleiter der «Tagesschau» schrieb:

Mit Mail vom 15. Februar 2019 hat Herr X eine Beanstandung gegen die Tagesschau vom 14. Februar[1]eingereicht.

Anlass für den Beitrag mit zwei Unternehmern, die sich ganz unterschiedlich zum EU-Rahmenvertrag äussern, ist eine Studie von Avenir Suisse und Economiesuisse zur Abhängigkeit der Schweizer Wirt­schaft von Exporten in die EU. Diese Studie wird sachlich dargestellt, herausgegriffen werden die bei­den Kantone der beiden Unternehmen aus dem Beitrag. Der Sprecher von Avenir Suisse will explizit keine Wertung abgeben; dies sei Sache der Politik.

Die Auswahl von Unternehmen, respektive Unternehmern, die in einem solchen Beitrag vorkommen, ist Teil der Programmautonomie der Redaktion. Sie erfolgte nicht zufällig und auch nicht willkürlich. Im Gegenteil, die Redaktion hat sich für zwei Betriebe aus der gleichen Branche entschieden, die sich zwar in ihrer unternehmerischen Strategie unterscheiden, aber im Wesentlichen mit dem gleichen Ma­terial erfolgreich tätig sind. Der Hinweis auf die Märkte, in denen die beiden Unternehmen tätig sind, ist aus Gründen der Transparenz notwendig. So kann das Publikum die beiden Unternehmen auch ein­ordnen.

Die Auswahl der beiden Unternehmen erfolgte sorgfältig: Es sind mehrheitlich stark exportabhängige Firmen und international verflochtene Unternehmen, welche sich öffentlich hinter das Rahmenabkom­men stellen; sie gewichten den ungehinderten Marktzugang höher als die Nachteile des ausgehandel­ten Abkommens. Kritisch zum Rahmenabkommen äussern sich mehrheitlich Firmen, die vor allem im Inland tätig sind.

Natürlich hätte man auch Unternehmer finden können, die stark im Export tätig sind und das Rahmen­abkommen kritisieren. Natürlich hätte man auf der anderen Seite auch Unternehmer finden können, die nicht vom Export abhängig sind und das Rahmenabkommen unterstützen.

Die Redaktion hat sich richtigerweise dafür entschieden, repräsentative Unternehmer zu Wort kom­men zu lassen.

Die beiden ausgewählten Unternehmer wurden im Beitrag gleichbehandelt. Beide befragten Unterneh­mer äusserten sich zu den langfristigen Wirkungen des Rahmenvertrages. Thomas Burgherr betont explizit die langfristigen Risiken für die Demokratie in der Schweiz.

Fazit

Die Tagesschau hat ausgewogen über zwei unterschiedliche Positionen von Unternehmen aus der glei­chen Branche zum EU-Rahmenvertrag berichtet. Beide Seiten sind mit ihren Argumenten zu Wort ge­kommen. Das Publikum konnte sich unvoreingenommen eine eigene Meinung bilden.

Ich bitte Sie, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung des Beitrages. Im beanstandeten, etwas mehr als zweiminütigen «Tagesschau»-Beitrag, geht es um das Rahmenabkommen mit der Europäischen Union, das in der Schweiz auf reichlich Kritik stösst. Da mittlerweile 20% der Beschäftigten in der Schweiz vom Export in die EU abhängig sind, ist aus ökonomischer Sicht ein Marktzugang für die Schweiz in die Europäische Union wichtig.

Die bereits erwähnte gesetzliche Programmautonomie (Bundesgesetz über Radio- und Fern­sehen, Art. 6 Abs. 2)[2]sagt, dass der Programmveranstalter in der Gestaltung, namentlich in der Wahl der Themen, der inhaltlichen Bearbeitung und der Darstellung ihrer redaktionellen Publikationen frei ist. Und genau das ist in diesem Beitrag geschehen. Selbstverständlich wäre es auch möglich ge­wesen, andere Unternehmen zu befragen. Die Verantwortlichen der «Tagesschau» – und das hat Herr Franz Lustenberger in seiner ausführlichen und präzisen Stellungnahme glaubhaft dargelegt – haben die beiden Unternehmen sorgfältig und wohlüberlegt ausgewählt.

Sowieso finde ich in dem von Ihnen kritisierten Beitrag keinen Hauch bewusster, einseitiger Ein­flussnahme, wie Sie be­haupten. Es ist mir ausserdem schleierhaft, wie Sie darauf kommen, dass «von neutraler Berichterstat­tung [...] schon lange keine Rede mehr» sei. Der Bericht war ausgewo­gen, es kamen reprä­sentative Unternehmer zur Rede und sie wurden gleichbehandelt. Das Publikum wurde sachgerecht informiert und konnte sich frei eine eigene Meinung bilden.

Ich kann beim besten Willen an keiner Ecke des Beitrages etwas finden, was zu Kritik Anlass gibt. Aus diesem Grunde kann ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernseh­ge­setzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfü­gung.

Manfred Pfiffner, stellvertretender Ombudsmann


[1]https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/europas-staaten-draengen-den-bundesrat-zum-handeln?id=47dcc779-bc00-40b1-a0e7-ffb9215b4919

[2]https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20001794/201701010000/784.40.pdf

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