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SRF Radio-Sendung «Rendez-vous», Beitrag «Ist Trumps Angst vor Huawei berechtigt?» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 16. Mai 2019 beanstandeten Sie die Sendung «Rendez-vous» (Radio SRF) vom gleichen Tag und dort den Beitrag «Ist Trumps Angst vor Huawei berechtigt?»[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Überwachungsstaat, Demokratie feindlich und schlussendlich noch kommunistisch.... Einmal mehr findet SRF in der Schweiz keine Experten und sucht wie gewohnt Hilfe in Deutschland. Dort wird uns Schweizerinnen und Schweizer erklärt was Sache ist! Und dies auf eine einseitige Art, was man schon als Verletzung des Informationsauftrags bezeichnen kann. In Fällen wie dem Beitrag über Huawei, welcher an Einseitigkeit nicht mehr zu überbieten ist, man könnte es auch als dumme Meinungsmache bezeichnen, ist es ihre Pflicht (SRF) auch andere Meinungen einzuholen. Von denen gibt es zahlreiche und diese nicht nur von deutschen Journalisten. Offensichtlich ist den Journalisten von SRF nicht bekannt, dass in Netzwerkkomponenten der Konkurrenz von Huawei 5G (Ericsson, Nokia) auch chinesische Komponenten enthalten sind. Ich hoffe, dass die Journalisten von SRF immerhin wissen, dass die USA in diesem Bereich wenig zu bieten haben. Und daraus könnte man auch ableiten, warum die USA gegen Huawei vorgehen.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für das «Rendez-vous» antwortete Herr Fredy Gsteiger, stellvertretender Chefredaktor von Radio SRF:

«Besten Dank für die Gelegenheit, Stellung zu nehmen zur Beanstandung von Herrn X. Herr X kritisiert einerseits, dass wir in der Sendung ‘Rendezvous’ keinen Schweizer, sondern einen deutschen Gesprächspartner befragt haben. Andrerseits – und da geht es um den Inhalt – habe der Experte zum Thema Huawei die Situation einseitig dargestellt.

Zum ersten Punkt: Es ist keineswegs so, dass wir deutschen Experten grundsätzlich den Vorzug geben vor Schweizer Experten. Es kommt höchstens ausnahmsweise vor, dass wir ganz bewusst auf einen Schweizer Experten verzichten. Dann nämlich, wenn genau diese Person vorher bereits in zahlreichen anderen Schweizer Medien zu Wort kam, und wir nicht einfach dasselbe bieten wollen wie die anderen, sondern gezielt eine andere Betrachtungsweise in einer von unseren Sendungen wünschen.

Es ist aber einfach eine Tatsache, dass der Expertenpool in Deutschland, das achtzig Millionen Einwohner zählt, ungleich viel grösser ist als in der zehnmal kleineren Schweiz. Wenn es dann noch um ein sehr spezifisches Thema geht wie Huawei kommt es vor, dass sich in der Schweiz entweder gar niemand findet, der sich wirklich vertieft damit auseinandergesetzt hat oder aber – weitaus häufiger -, dass die paar wenigen, die kompetent Auskunft geben könnten, kurzfristig nicht verfügbar sind. Dann müssen wir notgedrungen aufs Ausland ausweichen. Auf Deutschland, auf Österreich und häufig gar auf Experten, die nicht deutscher Zunge sind.

Zum zweiten Punkt: Der Interviewpartner, Kai Strittmatter, der als Korrespondent der renommierten ‘Süddeutschen Zeitung’ gut ein Jahrzehnt lang in China gelebt und ausserdem ein Buch über die digitalen Ambitionen Chinas verfasst hat, ist zweifellos legitimiert, sich zum Thema Huawei zu äussern. Ist seine Haltung objektiv oder gar neutral? Selbstverständlich nicht. Er macht im Gespräch selber mehrfach deutlich, dass er hier seine persönliche Meinung vertritt (<Ich vertraue der Kommunistischen Partei Chinas nicht> oder: <Aus meiner Sicht sind die USA vertrauenswürdiger als China>). Dem Publikum wird also in keinem Moment eine falsche Objektivität vorgegaukelt.

Fast jeder Experte und erst recht jeder Akteur, dem wir das Wort geben, hat eine persönliche Sichtweise, eine Haltung, eine Position. Es ist legitim, ja erwünscht, dass die in einem Interview zum Ausdruck kommt. Genau deshalb laden wir Gesprächspartner ein. Es kann und muss nicht sein, dass in jedem einzelnen Gespräch, in jedem einzelnen Bericht die Gegenseite zu Wort kommt. Wichtig ist hingegen, dass dies in der Berichterstattung insgesamt passiert. Diesem Prinzip fühlen wir uns durchaus verpflichtet.

Das Thema Huawei beschäftigt uns nun bereits seit Monaten. Wir haben dutzendfach darüber berichtet: Aus der Perspektive Washingtons, aus der Perspektive Pekings, aus der Perspektive der EU, aus jener europäischer Hauptstädte, in Gesprächen mit Rechts-, mit Politik- und mit Wirtschaftsexperten.

Entsprechend boten wir ein breites und meinungsmässig vielfältiges Panorama mit einer Vielzahl von Meinungen, Sichtweisen und Interpretationen. Jene von Kai Strittmatter ist lediglich eine davon. Dabei leitete uns bei der ganzen journalistischen Begleitung des Themas die Tatsache, dass es hier nicht in erster Linie um eine nüchterne wirtschaftliche Auseinandersetzung geht, die nach den Prinzipien der Welthandelsorganisation WTO geführt wird. Es geht um einen hochpolitischen Konflikt zwischen zwei Gross- oder gar Supermächten, um einen Machtkampf, der längst nicht nur mit rationalen Argumenten und auch nicht nur mit legitimen Mitteln geführt wird. Das wollen wir deutlich machen.

Wir bitten Sie deshalb, sehr geehrter Herr Blum, die Beanstandung von Herrn X abzulehnen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Das «Rendez-vous» hätte für das Thema keinen besseren Gesprächspartner finden können als den deutschen Journalisten Kai Strittmatter. Der heute 54jährige Strittmatter studierte Sinologie in München, Xi’an (Volksrepublik China) und Taipeh (Taiwan) und war insgesamt 14 Jahre lang China-Korrespondent der «Süddeutschen Zeitung» (1997-2005 und 2012-2018).[2] Er hat das Buch geschrieben «Die Neuerfindung der Diktatur. Wie China den digitalen Überwachungsstaat aufbaut und uns damit herausfordert» (Piper, München 2018).

Das Verfängliche an China ist, dass uns die wissenschaftliche, wirtschaftliche, technologische und kreative Potenz dieses Volkes ungemein beeindruckt, dass das Land aber nach wie vor totalitär von der Kommunistischen Partei – und nur von ihr – beherrscht wird und diese Partei alles überwacht und alles lenkt.[3] Die Partei strebe die «totale und lückenlose Kontrolle eines jeden Untertanen» an, sagte Kai Strittmatter in dem Gespräch. Die Volksrepublik China ist kein freiheitliches und nur ein scheindemokratisches Land. Sie unterscheidet sich in dieser Beziehung fundamental von allen Ländern, die auf den bürgerlichen Revolutionen fussen (wie USA, Frankreich, Schweiz, Italien, Deutschland, letztlich auch Großbritannien usw.).

Darum muss ich Ihnen doppelt widersprechen: Es kommt nicht darauf an, ob ein Experte Schweizer oder Deutscher ist, es kommt darauf an, dass er gut ist. Und: Es ist nötig, dass es angesichts der China-Euphorie auch Mahner gibt. Mit Einseitigkeit hat dies nichts zu tun. Radio SRF hat genau die richtigen Fragen aufgeworfen. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann

[1] https://www.srf.ch/sendungen/rendez-vous/volk-entscheidet-ueber-kampfjet-beschaffung

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Kai_Strittmatter

[3] Vgl. auch Kapitel «China“ in Roger Blum (2014): Lautsprecher und Widersprecher. Ein Ansatz zum Vergleich der Mediensysteme. Köln:von Halem, S. 73-79.

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