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«Tagesschau»-Beitrag «Ein drittes Hafenbecken für Basel» beanstandet I

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Mit Ihrem Brief vom 18. Juni 2019 beanstandeten Sie die «Tagesschau» (Fernsehen SRF) vom 10. Juni 2019 und dort den Beitrag «Ein drittes Hafenbecken für Basel».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«In der Hauptausgabe der Tagesschau vom Pfingstmontag, 10. Juni 2019, wurde ein 2.30-minütiger Beitrag zum umstrittenen dritten Hafenbecken und dem damit verbundenen Mammutprojekt Gateway Basel Nord ausgestrahlt. Das Projekt ist seit Jahren höchst umstritten und wird unter anderem von Gewerbeorganisationen wie der Wirtschaftskammer BL, von Umweltorganisationen wie WWF und Pro Natura sowie von Anwohnervereinen wie z.B. unserem ‘Dorfverein Pro Kleinhüningen’, ‘IG Klybeckinsel’ u.a. bekämpft.

Allerdings wurden die Kritiker in dem Beitrag komplett ignoriert. Stattdessen gab der Journalist gleich zwei Befürwortern, die sich in ihren Funktionen an vorderster Stelle für das GBN-Projekt engagieren, das Wort. Zuerst konnte sich der Rheinhäfen­Direktor in einem persönlich vorgetragenen Statement ausschliesslich positiv über das Projekt äussern. Kurz darauf erhielt auch der Verwaltungsratspräsident der künftigen Betreibergesellschaft GBN das Wort für ein nur befürwortendes Statement.

Diese Einseitigkeit ist umso stossender, als der fragliche Beitrag nur drei Tage vor dem für den ganzen weiteren Projektverlauf äusserst relevanten Entscheid der WEKO ausgestrahlt wurde. Obwohl die Prüfungsverfahren der WEKO unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt werden, verfügte die Tagesschau offensichtlich über Insiderwissen: In der Anmoderation weist der Sprecher denn auch explizit darauf hin, dass der entsprechende Entscheid der WEKO ‘in den nächsten Tagen’ falle. Diese Information war den Projekt-Gegnern, die das WEKO-Verfahren angestrengt hatten, so nicht bekannt.

Offenbar hatte die Befürworterseite hier den direkteren Draht zur WEKO. Sie steckte diese Info dem SRF-Journalisten, um so kurz vor dem Entscheid nochmals Stimmung in eigener Sache zu machen. Der SRF-Journalist wiederum liess sich anstandslos instrumentalisieren und führte den Auftrag der GBN-Befürworter zu deren vollen Zufriedenheit aus: Es fiel in dem Beitrag kein kritisches Wort zum Projekt. Und drei Tage später entschied die WEKO dann zugunsten der Projektbefürworter.

Sehr geehrter Herr Ombudsmann, ich bitte Sie im Namen unseres Vereins um Beurteilung des fraglichen Beitrags: Entspricht dieser den Art. 4 & 5 RTVG?»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Tagesschau» antwortete Herr Franz Lustenberger, ehemaliger stellvertretender Redaktionsleiter:

«Mit Brief vom 18. Juni 2019 hat der Dorfverein Pro Kleinhüningen, vertreten durch (...) X, eine Beanstandung gegen die Tagesschau vom 10. Juni eingereicht. Es geht um den Bericht zum dritten Hafenbecken im Basler Rheinhafen.

Gegenstand des Berichtes war der bevorstehende Entscheid der Wettbewerbskommission (Weko) zur Frage, ob mit dem geplanten neuen Hafenbecken unter den interessierten Logistikunternehmen weiterhin ein fairer Wettbewerb garantiert sei oder nicht. Gegenstand des Berichtes war der bevorstehende Entscheid der Weko, ob der neue Terminal ‘eine marktbeherrschende Stellung begründen oder verstärken könnte’. Die Weko informierte Mitte Februar über ihre Untersuchung. Das Prüfungsverfahren unterliegt einer 4-Monate-Frist, sodass Mitte Juni mit dem Entscheid der Weko zu rechnen war. Das hat daher nichts mit Insiderwissen des betreffenden Journalisten zu tun, sondern es ist das Ergebnis der journalistischen Planung aufgrund der Weko-Verfahrensvorschriften. Soweit die Ausführungen zu diesem Nebenpunkt.

Die Tagesschau richtet sich nach den Kriterien der Relevanz und der Aktualität. Aktuell war Mitte Juni der Weko-Entscheid zum zukünftigen Terminalbetrieb. Die Tagesschau hat diesen Aspekt behandelt. Es ist ein Teilaspekt der ganzen Thematik rund um den geplanten neuen Container-Terminal, bekannt unter dem Namen Gateway Basel Nord.

Von diesen rein wettbewerbsrechtlichen Fragen der Transport- und Logistikunternehmen ist die politische Frage und die kommende Auseinandersetzung zu trennen. Die Tagesschau kann in einem Beitrag von rund 2 Minuten nicht alle Aspekte behandeln. SRF wählt im Rahmen ihrer Programmautonomie den Fokus selbständig aus, nach dem Kriterium der Aktualität.

Es ist für SRF selbstverständlich, dass die politische Auseinandersetzung aufgrund der Grösse des Projektes (Beitrag Kanton Basel-Stadt gemäss Ratschlag rund 120 Millionen Franken und der nationalen Bedeutung des Basler Rheinhafens) dereinst Thema sein wird, und dass dann alle Seiten - Befürworter und Gegner des Projektes – zu Wort kommen werden.[2]

Mit Datum vom 8. Januar 2019 hat der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt das Geschäft ans Parlament geleitet. Am 13. Februar 2019 hat der Grosse Rat den regierungsrätlichen Ratschlag an die zuständige Kommission WAK / Mitbericht UVEK überwiesen. Die Kommissionsberatungen laufen derzeit; sie sind geheim. Gemäss eigenen Recherchen ist mit dem Kommissionsbericht und damit den Anträgen zuhanden des Grossen Rates für Ende 2019/Anfangs 2020 zu rechnen. Die Beratung im Parlament erfolgt anschliessend. Die Berichterstattung von SRF wird dabei beide Seiten zu Wort kommen lassen.

Die Anträge des Regierungsrates (Seiten 51 und 52 des Ratschlags), respektive des Grossen Rates, unterstehen dem fakultativen Referendum. Dieses dürfte aufgrund der bekannten Opposition des Dorfvereins Pro Kleinhüningen und weiterer Kreise ergriffen werden und auch zustande kommen. Auch im Rahmen der späteren Abstimmungskontroverse werden wiederum beide Seiten bei SRF zu Wort kommen.

Auch über eine allfällige gerichtliche Auseinandersetzung im Rahmen des späteren Baubewilligungsverfahrens wird SRF selbstverständlich ausgewogen berichten und jeweils beide Seiten zu Wort kommen lassen.

Fazit

Der beanstandete Bericht vom 10. Juni befasste sich einzig mit wettbewerbsrechtlichen Fragen rund um den neuen Rheinhafen. Anlass war der bevorstehende Entscheid der Weko zu dieser Fragestellung. Die vom Beanstander aufgeworfene grundsätzliche Kritik am Projekt war nicht Gegenstand des Verfahrens vor der Weko. Im Rahmen der kommenden politischen (Grosser Rat, Referendumsabstimmung) und gerichtlichen Auseinandersetzungen wird SRF jeweils beide Seiten zu Wort kommen lassen. Ich bitte Sie, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Die Schweizerischen Rheinhäfen mit den Häfen «Basel-Kleinhüningen» auf baselstädtischem sowie «Birsfelden» und «Muttenz-Au» auf basellandschaftlichem Boden bilden das «Tor der Schweiz zum Meer». Sie sind wichtig für den europäischen Güterverkehr, und es ist logisch, dass sie stetig modernisiert werden müssen. Dabei ist aber sicher wichtig, dass die Bedürfnisse der Natur und der lokalen Bevölkerung nicht zu kurz kommen, und das ist ja wohl auch der Grund für Ihre Opposition gegen das Großprojekt für ein Hafenbecken 3 und einen Containerterminal in Kleinhüningen.

Der Beitrag der «Tagesschau» zum geplanten neuen Hafenbecken war an und für sich schlüssig, aber er erweckte den Eindruck, als sei das Projekt schon beschlossen und es fehle nur noch die Zustimmung der Wettbewerbskommission. An keiner Stelle wurde gesagt, dass das Projekt umstritten ist und dass die politische Beratung und Entscheidfindung im Kanton Basel-Stadt erst bevorsteht. Dabei wäre nicht einmal entscheidend gewesen, dass jemand von der Opposition zu Wort gekommen wäre, aber in einem oder zwei Sätzen hätte gesagt werden müssen, dass es Opposition gibt und warum. Wer dann in der Sendung wirklich zu Wort kommt, ist der Redaktion überlassen. Sie hat die Programmautonomie. Das Vielfaltsgebot verlangt nicht, dass in jedem Konflikt alle Seiten oder gar alle Seiten gleichgewichtig Stellung nehmen können. Das Vielfaltsgebot ist außerhalb von Wahl- und Abstimmungskämpfen nur auf das Programm im Gesamten anzuwenden, nicht auf die einzelne Sendung. Das Sachgerechtigkeitsgebot verlangt indessen, dass in einem Konflikt auf die jeweils andere Seite hingewiesen werden muss.

Diese Pflicht gilt auch dann, wenn man nur einen Teilaspekt des Themas behandeln will. Es fragt sich allerdings, ob sich die Redaktion erst nach der Sendung oder schon vor der Sendung darauf geeinigt hat, nur einen Teilaspekt zu thematisieren. Fand man erst nach der Sendung, es sei ja nur ein Teilaspekt gewesen und die eigentliche politische Auseinandersetzung werde dann von Fernsehen SRF durchaus intensiv begleitet, dann ist es eine relativ billige Abwehrstrategie. Hat man den Entschluss hingegen bewusst vor der Sendung gefasst, dann hätte man im Beitrag darauf hinweisen müssen, dass die politische Auseinandersetzung noch folge und dass Fernsehen SRF wieder berichten werde.

Zusammengefasst heißt dies: Es ist das Recht der Redaktion, bloss einen Teilaspekt eines Themas zu behandeln. Es liegt in ihrer Programmautonomie, lediglich aufzuzeigen, warum die Inbetriebnahme des Hafenbeckens 3 und des Containerterminals im Rheinhafen Basel-Kleinhüningen ein wettbewerbsrechtliches Problem aufwirft. Aber sie hätte bei dieser Gelegenheit dreierlei erwähnen müssen: Erstens, dass die politische Auseinandersetzung über das Projekt im Kanton Basel-Stadt erst bevorsteht, zweitens dass es Opposition gegen das Projekt gibt und drittens, dass Radio und Fernsehen SRF (in Sendungen wie Regionaljournal, «Schweiz aktuell», «Tagesschau» oder «10 vor 10») am Thema dranbleiben wird. Da dies nicht erwähnt worden ist, kann ich Ihre Beanstandung teilweise unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,
Roger Blum, Ombudsmann


[1] https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/ein-drittes-hafenbecken-fuer-basel?id=2d246821-68a5-451d-8567-85f03db66a8e

[2] http://www.grosserrat.bs.ch/de/geschaefte-dokumente/datenbank?such_kategorie=1&content_detail=200109441

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