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«Tagesschau»-Beitrag «Bevölkerungswachstum Schweiz» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 28. August 2019 beanstandeten Sie die «Tagesschau» (Fernsehen SRF) vom 27. August 2019 und dort den Beitrag «Bevölkerungswachstum Schweiz».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Über die letzten paar Tage habe ich mir geärgert über sie!!! In der Tagesschau Hauptausgabe vom 27. wurde nur ganz kurz über die steigende Anzahl Menschen in der schweiz berichtet. Wie kann es sein dass wir fast jeden Abend mit Klimahysterien oder Asyllügen zugedeckt werden aber ein solches Thema kaum beachtung findet?....??. Dabei gehören die doch zusammen. Mehr Menschen in der CH bedeutet mehr Resourcenverschleiss und die Asylanten sind mitunter ein Grund für die steigende Bevölkerungszahl. ich will mich hier beschweren. Punkt. Habe genug.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Tagesschau» antwortete Herr Franz Lustenberger, ehemaliger stellvertretender Redaktionsleiter der Sendung:

„Mit Mail vom 28. August 2019 hat Herr X eine Beanstandung gegen die Tagesschau vom 27. August eingereicht. Er kritisiert, dass die Tagesschau ‚nur ganz kurz‘ über die Bevölkerungsstatistik 2018 (05:57) berichtet hat. Die Redaktion Tagesschau nimmt dazu wie folgt Stellung:

Grundsätzliches

Die Medienfreiheit hat in der Schweizer Demokratie einen sehr hohen Stellenwert. Die Bundesverfassung gewährleistet in Art. 93, Abs. 3 ‚die Unabhängigkeit von Radio und Fernsehen sowie die Autonomie in der Programmgestaltung‘. Im Bundesgesetz für Radio und Fernsehen (RTVG) wird diese Programmautonomie noch verdeutlicht: Die Programmveranstalter ‚sind in der Gestaltung, namentlich in der Wahl der Themen, der inhaltlichen Bearbeitung und der Darstellung ihrer Programme frei und tragen dafür die Verantwortung‘ (Art. 6, Abs. 2 RTVG). Die Tagesschau richtet sich in der Themenwahl nach den Kriterien der Aktualität und der Relevanz.

Inland-Aktualität am 27. August

Die Tagesschau hat am 27. August Inland-Themen ein grosses Gewicht beigemessen. Gerichtskommission/Bundesanwalt Lauber, Rente für Verdingkinder/Eigenrecherche der Redaktion Kassensturz, Rabatt für Online-Kunden bei der Post, Aktionsplan Pflanzenschutz, Generationen im Parlament/Eigenrecherche von SRF Data.

Die Bevölkerungsentwicklung der Schweiz, respektive die neuesten Zahlen des Bundesamtes für Statistik, haben in der Sendung ihren Platz gefunden. Und zwar in der angemessenen Länge. Wie die Zahlen des Bundesamtes für Statistik zur ‚Veränderung der ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz von 2008 bis 2018 (gegenüber dem Vorjahr)‘ zeigen, ist der Zuwachs um 0,7 Prozent im Jahre 2018 der tiefste Wert in dieser Periode (siehe Beilage BfS). Er ist praktisch gleich hoch wie im Jahre 2017 (0,8 Prozent).

Die Zahlen sind aktuell und durchaus von Interesse. Ein grösserer Bericht hat sich nicht aufgedrängt, da die Veränderung gegenüber dem Vorjahr überhaupt nicht markant ausgefallen ist. Seit dem Jahre 2013 sind die Zuwachsraten der ständigen Wohnbevölkerung zudem leicht sinkend.

Fazit

Die Tagesschau hat sachgerecht und adäquat über die Bevölkerungsstatistik 2018 berichtet.

Ich bitte Sie, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.“

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ich bin mit Ihnen einverstanden, dass das Bevölkerungswachstum, das in der Hauptsache durch die Zuwanderung zustande kommt, einen Einfluss hat auf den Zustand und die Befindlichkeit der Schweiz: Je mehr Menschen zuströmen, umso stärker werden die Infrastruktur und die Ressourcen belastet, umso enger wird der Wohnraum, umso dichter wird der Verkehr auf den Strassen und den Schienen. Doch gleichzeitig gilt: Je mehr Menschen zuströmen, umso besser funktionieren Bauwirtschaft, Spitalpflege, Landwirtschaft, Gastgewerbe und Tourismus in der Schweiz. Viele Dienstleistungen würden ohne die Immigration zusammenbrechen. Diese Zusammenhänge aufzuzeigen, wäre eine größeres Thema, das eine größere Recherche voraussetzte.

Damit sich eine solche Recherche rechtfertigt, müsste allerdings der jährliche Zuwachs ausserordentlich sein. Das war er 2018 nicht: Die Bevölkerung wuchs um rund 60'000 Personen und zählt jetzt etwas mehr als 8,5 Millionen. Der Zuwachs lag im Rahmen der letzten 10 Jahre, war sogar etwas geringer als sonst. 0,7 Prozent mehr ist nun wirklich keine Sensation !

Darum war die «Tagesschau» wohlberaten, die neue Bevölkerungszahl angesichts der vielen wichtigen anderen Themen – darunter zwei Eigenrecherchen – nur kurz abzuhandeln. Kommt dazu, dass die Redaktionen im Rahmen der Programmautonomie ohnehin selber entscheiden, was sie wie angeht. Deshalb kann ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann

[1] https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/tagesschau-vom-27-08-2019-1930?id=54cd80ef-c743-4e00-87b6-9f9ad256a3e

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