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SRF «Tagesschau», zu spärliche Berichterstattung über die 5 G-Demonstration in Bern beanstandet I

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Mit Ihren E-Mails vom 22. September 2019 beanstandeten Sie die Nichtberichterstattung über die 5 G-Demonstration in Bern in der Hauptausgabe der «Tagesschau» vom 21. September 2019 und die Ihrer Meinung nach zu knappe Berichterstattung in der Spätausgabe.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«WIE ERKLÄRT SICH DER ENORME UNTERSCHIED ZWISCHEN DER BERICHTERSTATTUNG DERSELBEN MANIFESTATION DURCH DIE WESTSCHWEIZER UND DIE DEUTSCHSCHWEIZER NACHRICHTENREDAKTION?

- IN DER WELSCHEN SCHWEIZ: IN DER ABEND-HAUPTAUSGABE, ALSO MIT KLAR MEHR ZUSCHAUENDEN, INNERHALB DER SENDUNG AN ERSTER STELLE. DAUER: MEHR ALS DREI MINUTEN.

ES WIRD VON EINZELNEN TAUSEND TEILNEHMENDEN BERICHTET

- IN DER DEUTSCHSCHWEIZ: KEINE ERWÄHNUNG IN DEN HAUPTNACHRICHTEN VON 19.30! UM 22 UHR, ALSO FÜR DEUTLICH WENIGER ZUSCHAUENDE, KOMMT DAS THEMA ERST IN DER ZWEITEN HÄLFTE DER SENDUNG UND WIRD IN LEDIGLICH 30 SEKUNDEN ABGEHANDELT. ES WIRD VON EINIGEN HUNDERT TEILNEHMENDEN BERICHTET.

BESONDERS AUFGEFALLEN IST MIR DIE GROSSE GEWICHTUNG DES BEITRAGS ÜBER DIE BDP, SOWOHL IN DER HAUPT- ALS AUCH IN DER 22 UHR-NACHRICHTENSENDUNG.

HERR BLUM, ES WAR EINE N A T I O N A L E KUNDGEBUNG VOR DEM BUNDESHAUS IN BERN! DIE STIEFMÜTTERLICHE BEHANDLUNG DURCH DAS DEUTSCHSCHWEIZER FERNSEHEN MACHT MICH STUTZIG. DIE OBGENANNTEN GROSSEN UNTERSCHIEDE IN DER BERICHTERSTATTUNG VERANLASSEN MICH, AUF MEINER BEANSTANDUNG ZU BEHARREN UND DIE ZUSTÄNDIGE NACHRICHTENREDAKTION UM EINE STELLUNGNAHME ZU BITTEN. EIN WEITERES VORGEHEN IN DIESER ANGELEGENHEIT SCHLIESSE ICH NICHT AUS.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Tagesschau» antwortete Herr Franz Lustenberger, ehemaliger stellvertretender Redaktionsleiter:

«Mit Mail vom 22. September 2019 hat Herr X eine Beanstandung gegen die Tagesschau vom 21. September eingereicht. Es geht um Berichterstattung zur 5G-Demonstration vom gleichen Tag.

Grundsätzliches

Die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft gewährleistet in Art. 93, Abs. 3 <die Unabhängigkeit von Radio und Fernsehen sowie die Autonomie in der Programmgestaltung>. Im Bundesgesetz für Radio und Fernsehen (RTVG) wird diese Programmautonomie vertieft und präzisiert: <Niemand kann von einem Programmveranstalter die Verbreitung bestimmter Darbietungen und Informationen verlangen.> (RTVG, Art. 6, Abs. 3). Konkret: Die Redaktion Tagesschau von SRF hat diese Demonstration anders gewichtet als die Kolleginnen und Kollegen von RTS. Zu den Beweggründen von RTS kann ich mich nicht äussern, ich kann aber die Gründe für die Berichterstattung in der Tagesschau-Spätausgabe erläutern.

Bedeutung der Demonstration

Wie der Beanstander selber festhält haben rund 1’000 Frauen und Männer an dieser Demonstration teilgenommen; diese unbestätigte Zahl (die zuständige Polizei des Kantons Bern veröffentlicht keine Zahlen zu Demonstrationen) liegt im Rahmen einer üblichen Demonstration auf dem Bundesplatz. Zum Vergleich – an der Klimademonstration vom 28. September nahmen mehrere zehntausende Demonstrierende teil. Von einem Grossaufmarsch kann nicht die Rede sein; an der Bedeutung ändert auch die Bezeichnung ‘Nationale Kundgebung’ vor dem Bundeshaus nichts. Eine kurze Meldung zu den wesentlichen Fakten und Forderungen der Demonstrierenden wird aus Sicht der Tagesschau dem Ereignis gerecht. Dies gilt umso mehr, als SRF in den vergangenen Monaten sehr intensiv über die Kontroverse um 5G berichtet hat.

Bedeutung des Themas

Die Redaktionen der Informationssendungen von SRF sind sich der Bedeutung des Themas 5G sehr bewusst; sie wissen um die kontroverse Auseinandersetzung, die in der Bevölkerung teilweise sehr emotional geführt wird. Daher hat SRF im laufenden Jahr das Thema 5G in verschiedenen Beiträgen breit und vertieft abgehandelt, wie die folgende, nicht abschliessende Aufzählung zeigt.

10v10 vom 6. September: In einem Schwerpunkt, zwei Wochen vor der Demonstration in Bern, widmet sich das Nachrichtenmagazin 10v10 der 5G-Thematik. Neben dem Swisscom-Ingenieur kommt als Gegner des 5G-Ausbaus Hans Ulrich Jakob vom ‘Verein Gigaherz’ zu Wort. Sehr skeptisch äussert sich auch der Staatsratspräsident des Kantons Genf, Antonio Hodgers. An den Filmbeitrag schliesst sich ein Interview mit Swisscom-Chef Urs Schäppi an, in dem die 5G-Problematik nochmals aufgenommen wird.[2]

Tagesschau vom 20. Juli : In diesem Beitrag wird über die rechtlichen Anstrengungen von 5G-Gegnern berichtet. Diese weisen auf die möglichen Auswirkungen der Strahlenbelastung hin.[3]

Schweiz-aktuell vom 6. Juni : In dieser Sendung wird der Widerstand gegen 5G-Antennen an einem lokalen Beispiel in der Innerschweiz aufgezeigt.[4]

Rundschau vom 29. Mai : In einem Schwerpunkt von 16 Minuten geht die Rundschau den Beweggründen für den Widerstand gegen 5G nach.[5]

Arena vom 8. März : In der Arena werden pro und contra 5G ausführlich diskutiert.[6]

Gesamthaft ergibt die ‘Trefferliste’ bei der Dokumentation Video von SRF allein für dieses Jahr von Januar bis anfangs September insgesamt 21 TV-Beiträge inklusive eine Arena-Sendung.

Fazit

Schweizer Fernsehen SRF hat in den vergangenen Monaten das Thema 5G in verschiedenen Sendungen breit und vertiefend abgehandelt. Dabei sind Befürworter und Gegner ausführlich zu Wort gekommen. Die Kundgebung vom 21. September auf dem Bundesplatz war aktuell; daher hat die TS kurz über die Veranstaltung berichtet. Eine nur kurze Berichterstattung war umso gerechtfertigter, als an der Demonstration keine neuen Argumente aufgeworfen wurden.

Zum Hinweis des Beanstanders zur ausführlichen Berichterstattung über die BDP nur so viel: Die beanstandeten Ausgaben der «Tagesschau» wurden während des Wahlkampfs für die eidgenössischen Wahlen ausgestrahlt. Die BDP (bis vor vier Jahren noch Bundesratspartei) kämpfte in diesem Jahr um den Erhalt der Fraktionsstärke und langfristig um ihre Existenz. Es gehört zur Pflicht der Tagesschau, den Wahlkampf eng zu begleiten und relevante Aspekte zu thematisieren; die Zukunft der BDP gehört unzweifelhaft dazu. - Ich bitte Sie, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendungen. Es gibt keine unverrückbaren Kriterien, wann über eine Demonstration berichtet werden muss und wann nicht. Ein wichtige Rolle spielen die Nachrichtenfaktoren: Wenn beispielsweise eine Demonstration riesig ist und Zehntausende anlockt (Dimension), wenn es zu Zwischenfällen und Polizeieinsätzen kommt (Konflikt), wenn sehr bekannte Personen auftreten (Prominenz), wenn die Kundgebung im eigenen Land oder im Nachbarland stattfindet (Nähe) und wenn das Thema in der Bevölkerung virulent ist (Betroffenheit), dann dürfte die Berichterstattung zwingend sein. Doch muss von Fall zu Fall entschieden werden. Wenn die anderen Ereignisse des Tages noch relevanter, noch dramatischer und noch folgenreicher sind, dann muss die Berichterstattung über eine Demonstration knapper werden oder ganz wegfallen. Im konkreten Fall hat wohl die zuständige Redaktion von RTS die Betroffenheit in der Suisse romande als besonders groß eingeschätzt. So hat ja beispielsweise der Kanton Genf neue Antennen verboten. Das könnte der Grund sein, dass RTS in «19:30» berichtet hat und umfänglicher. Immerhin hat SRF den Anlass nicht totgeschwiegen, sondern erst in der Spätausgabe und nur kurz darüber berichtet. Das aber muss genügen, weil in der Tat die Redaktion im Rahmen der Programmautonomie entscheidet, wie sie gewichtet. Das Umfragetief der BDP hat die «Tagesschau» hoch gewichtet, weil es immerhin um Leben und Tod einer ehemaligen Bundesratspartei geht. Ich kann in der Nichtberichterstattung über die 5 G-Demonstration in der Hauptausgabe der «Tagesschau» und in der Kurzberichterstattung in der «Spätausgabe» keinen Verstoß gegen die Sachgerechtigkeit erkennen und pflichte deshalb Ihrer Beanstandung nicht bei.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann

[1] https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/hauptausgabe?id=901292b9-426d-4c20-aa10-d08223817389 https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/spaetausgabe?id=5e413dda-0056-4bc2-a6b5-f341a1c86575 (ab 05:43)

[2] https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/fokus-kontroverse-um-die-folgen-von-5g?id=21e642b1-5536-4b60-9598-f84a4ed547da

[3] https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/5g-gegner-begehen-den-rechtsweg?id=d9bc418a-28d8-44a3-b74e-834e6a53d908

[4] https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/widerstand-gegen-5g-antennen?id=f2886df7-efb4-4477-8417-06481d655251

[5] https://www.srf.ch/play/tv/rundschau/video/angst-vor-der-antenne-5g-gegner-machen-mobil?id=4df31a56-049e-4f03-9c62-9144b5d14a9c

[6] https://www.srf.ch/play/tv/arena/video/wer-hat-angst-vor-5g?id=e9dfdedf-e705-4c6a-a05b-b77eebf9d23

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