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«Rundschau»-Beitrag «Kampfzone airbnb: Wenn Einheimische ihre Wohnung räumen müssen» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 9. Januar 2020 beanstandeten Sie die «Rundschau» (Fernsehen SRF) vom 9. Januar 2020 und dort den Beitrag «Kampfzone airbnb: Wenn Einheimische ihre Wohnung räumen müssen».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Verstoss gegen das Sachgerechtigkeitsgebot:

In diesem Beitrag wird die Airbnb-Szene Interlaken dargestellt als geldgierige, der Rotlicht-Szene nahestehende Vermieterschaft. Untermauert wird die Darstellung mit den 2 Airbnb-Anbietern, die im Raum Interlaken am meisten Inserate aufgeschaltet haben und auch beide sehr schlechte Gästebewertungen haben (Sebastiano + Juliet).

Das Reporterteam hat offenbar neben diesen Anbietern auch Interviews mit anderen, seriöseren Anbietern gemacht, und hat dann entschieden, nur die schlechten Anbieter mit sehr fragwürdigen Aussagen im Bericht zu zeigen. So wird bei Sebastiano darauf hingewiesen, dass sein Profilbild das einer seiner ‘Tänzerinnen’ sei. Diese Darstellung ist einseitig und irreführend. Seriöse Anbieter werden damit diskreditiert. Bereits in früheren Beiträgen wurden immer wieder nur unseriöse Anbieter gezeigt.

Auch die angeblichen Verdienstmöglichkeiten wurden verzerrt dargestellt mit der Aussage <in Spitzenmonaten verdient man ...>. Die entsprechende Rechnung funktioniert nach dem Muster Juli-Preis * 30 = Monatsverdienst. Was nicht berücksichtigt wird, ist der Aufwand für Reinigung, Möblierung, Reparaturen, Personal, usw. Ebenfalls unerwähnt bleibt, dass im Winter viele Angebote meist leerstehen. In den Interviews wird nie erwähnt, dass es feuerpolizeiliche Vorschriften der GVB gibt, die das Problem wesentlich entschärfen könnten: Die meisten unseriösen Vermieter haben Angebote mit bis zu 30 Feriengästen pro Haus, obwohl es ab mehr als 10 Feriengästen pro Haus eine Bewilligung und ab 20 spezielle feuerpolizeiliche Auflagen gibt (Stichwort ‘gvb beherbergung’):[2]

Warum die Gemeindebehörden Interlaken, Matten und Unterseen hier nichts unternehmen, ist nicht nachvollziehbar. Aus früheren Beiträgen weiss man, dass die Hoteliers keine Freude an der Airbnb-Konkurrenz haben und via Gemeinden und Politik versuchen, alle Airbnb-Anbieter zu bekämpfen. Seit neuestem, indem man via Gemeinde die minimale Anzahl Logiernächte für Ferienwohnungen auf 5 festlegen will. Gäste aus Korea, China, USA, Australien bleiben normalerweise 2-3 Nächte. Die allseits unbeliebten indischen und arabischen Gäste bleiben oft mehr als 5 Tage. Die Folge wäre also eine Verlegung dieser lärmigen Gäste in die Wohnquartiere, was dann erst recht den Unmut der Bevölkerung erregen würde. Damit lässt sich dann in 2-3 Jahren möglicherweise eine Abstimmung über ein Totalverbot von Airbnb gewinnen und durchsetzen.

Von einer renomierten Sendung wie der Rundschau erwarte ich mehr als das Zeigen von Selbstdarstellern. Ich bitte Sie, diese Beanstandung zu prüfen und allenfalls eine Korrektur der Aussagen auszustrahlen.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Rundschau» antwortete Herr Mario Poletti, Redaktionsleiter der Sendung:

«Gerne nehmen wir Stellung zur Beanstandung von Herrn X. Der Beanstander empfand die Berichterstattung als ‘einseitig’ und ‘irreführend’. Zudem würden ‘seriöse Anbieter’ durch den Bericht ‘diskreditiert’. Der Beanstander kritisiert ausdrücklich, die Airbnb-Szene in Interlaken werde als ‘geldgierige, der Rotlicht-Szene nahestehende Vermieterschaft’ zugeordnet, die dargestellten Personen seien ‘Selbstdarsteller’. Des Weiteren kritisiert der Beanstander, dass die mit Airbnb-Vermietungen möglichen Verdienste ‘verzerrt’ dargestellt würden. Es wird zudem darauf hingewiesen, dass insbesondere Hotels ‘keine Freude an der Airbnb-Konkurrenz haben’ und via Gemeinden und Politik versuchten, die Airbnb-Anbieter zu ‘bekämpfen’.

Im Folgenden gehen wir gerne auf die einzelnen Punkte der Beanstandung ein:

Gleich zu Beginn des Beitrags wird transparent, dass sich die Berichterstattung auf das Geschäft sogenannter Supervermieter fokussiert, also Airbnb-Anbieter, die mehr als fünf Wohnungen gleichzeitig vermieten. Es wurde also klar eine bestimmte Art der Vermietung beleuchtet, die das in Interlaken bereits bekannte Phänomen – starkes Wachstum beim Airbnb-Angebot – in einem neuen Licht darstellt. Damit ist die Berichterstattung weder ‘einseitig’ und ‘irreführend’ – weil sie gewisse Vermieter unerwähnt lässt, sondern bildet ab, wie sich die Plattform Airbnb in den letzten Jahren zu einem grossen Geschäft für Supervermieter entwickelt hat. Der Beitrag bildet explizit das Geschäftsmodell der Supervermieter ab. Damit in Verbindung gebracht werden mögliche negative Auswirkungen für einheimische Mieter – etwa am konkreten Fall Manuel Lino. Dieser Fall steht in direktem Zusammenhang mit dem portraitierten Supervermieter Sebastiano Lupica. Es wird explizit darauf hingewiesen, dass dieser Fall exemplarisch für das Geschäftsverhalten von Vermieter Lupica steht und nicht einer verallgemeinernden Darstellung der Situation insgesamt dient. Verallgemeinernd war nie die Rede von einer einheitlichen Airbnb-Szene in Interlaken – im Gegenteil, der Beitrag bildet explizit eine jüngere Entwicklung der Sachlage und damit verbundene Probleme ab, am Beispiel zweier Supervermieter. Zwei unterschiedliche Supervermieter kamen zu Wort.

Der Beanstander kritisiert weiter, die Airbnb-Szene in Interlaken werde als ‘geldgierige, der Rotlicht-Szene nahestehende Vermieterschaft’ zugeordnet. Tatsache ist, dass sich Vermieter Lupica auf der Airbnb-Plattform als blonde Frau ausgibt, da dies – wie er erklärt hat – besser fürs Geschäft sei. Zudem erklärt er, dass diese Frau auch als Tänzerin in seinem Nachtclub arbeiten würde. Diese Erläuterung der Geschäft-Strategie des Vermieters zeigt deutlich, wie er persönlich möglichst viele Touristen gewinnen will – von einer Verallgemeinerung, Airbnb-Vermieter agierten grundsätzlich in der Rotlicht-Szene, kann keine Rede sein. Auch die zweite Supervermieterin wird in keiner Weise damit in Verbindung gebracht, geschweige denn weitere Airbnb-Vermieter.

Auch der Vorwurf ist nichtig, der Beitrag stelle Airbnb-Vermieter grundsätzlich als ‘geldgierig’ dar. Tatsache ist, dass Vermieter Lupica selbst betont, das Geschäft lohne sich, da er nach fünf Tagen Vermietung einer Wohnung via Airbnb, die bisherige, nach alten Mietverhältnissen verlangte Monatsmiete, bereits erreicht habe. Auch dieses Beispiel zeichnet exemplarisch für den Fall Lupica und ist keine Verallgemeinerung.

Der Beanstander spricht weiter von einer ‘verzerrten’ Darstellung eines ‘Monatsverdiensts’. Im Beitrag wird anhand der zwei Beispiele allerdings nur gezeigt, welche Einnahmen durch eine maximale Auslastung eines bestimmten Hauses (für alle darin angebotenen Wohnungen) zu erwirtschaften möglich wären. Es ist in beiden Fällen die Rede einer vollen, also maximalen Auslastung. Von Verdienst – was eine Rechnung der Einnahmen minus der Ausgaben darstellen würde – war nie die Rede.

Ob Hotels politische Regulierungen für Airbnb in Gemeinden begrüssen oder – wie der Beanstander festhält – ‘bekämpfen’, ist nicht Gegenstand des Beitrags. Dieser hält lediglich die aktuelle politische Diskussion in Interlaken fest und diskutiert diese kontrovers. Demnach wird etwa kontrovers diskutiert, ob für Airbnb-Gäste künftig eine Mindestaufenthaltsdauer von fünf Nächten gelten soll. Tatsache ist, dass diese Massnahmen aufgrund des stark angestiegenen Angebots von Airbnb-Wohnungen politisch beraten werden. Die Hintergründe der Diskussion spielen im Beitrag keine Rolle, ebenso wenig deren mögliche Auswirkungen, etwa in Bezug auf eine Zunahme von Touristen aus einer bestimmten Region, wie der Beanstander vermutet.

Die Rundschau hatte mit mehreren Supervermietern Kontakt, nur zwei waren bereit, offen vor der Kamera Stellung zu nehmen. Der Auftritt in einem kontroversen Beitrag bedarf Mut und Argumente. Mit Selbstdarstellung hat dies nichts zu tun.

Fazit

Zusammenfassend können wir die Argumentation des Beanstanders in keinem Punkt nachvollziehen. Das Thema wurde breit und kontrovers sowie transparent aufgearbeitet, so dass sich das Publikum jederzeit eine eigene Meinung bilden konnte. Darum bitten wir Sie, sehr geehrter Herr Blum, die Beanstandung in allen Punkten abzuweisen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ich kann mich den Ausführungen von Herrn Poletti vollständig anschließen: Die «Rundschau» hat hier in Problem differenziert, sorgfältig und anschaulich zur Darstellung gebracht. Und es ist ein Problem: Ob «seriöse Anbieter» oder «unseriöse» Super-Vermieter: Die Touristinnen und Touristen, die airbnb-Angebote nutzen, strömen in die Wohnquartiere, verursachen Nachtlärm, bleiben nur 1-2 Tage. Es handelt sich objektiv um ein Problem. Und dass die Super-Vermieter mit ihren Wohnungen viel Geld machen und gleichzeitig den Wohnungsmarkt für Einheimische austrocknen, ist ebenfalls ein Faktum. Ich kann beim besten Willen keinen Verstoß gegen das Sachgerechtigkeitsgebot sehen. Darum kann ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann


[1] https://www.srf.ch/play/tv/rundschau/video/kampfzone-airbnb-wenn-einheimische-ihre-wohnung-raeumen-muessen?id=12c2d62c-ab8e-4b8b-8e7d-92fcc7fc763d

[2] https://heureka.gvb.ch/de/suche-nutzung-und-stichwort/landwirtschaft/vermietung-von-wohnraum-an-touristen-und-beherbergungen/

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