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«Rundschau»-Beitrag «Diskriminierte Homosexuelle: Schutz vor Hetze» und Thekengespräch dazu beanstandet I

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Mit Ihrer E-Mail vom 16. Januar 2020 beanstandeten Sie die Sendung «Rundschau» (Fernsehen SRF) vom 15. Januar 2020 und dort den Beitrag «Diskriminierte Homosexuelle: Schutz vor Hetze» samt dem dazugehörenden Thekengespräch mit SVP-Nationalrätin Verena Herzog.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Thema ‘Hass gegen Schwule und Lesben’. Im Bericht verteidigt Frau Anna Rosenwasser das Ansinnen von Redaktor Dominik Meier, dass es zu diesem Thema eine Aenderung des Strafgesetzbuches braucht. Während Herr Sylvan Amberg (auch Schwul) mit glaubwürdigen Argumenten vollkommen dagegen ist. Die Diskussionspartnerin dieses Themas Frau Verena Herzog, Nationalrätin SVP, hat der Argumentation von Hr.Meier wie folgt geantwortet: <Es bestehen heute diverse Gesetze und Vorschriften sowie ein Bundesbeschluss in der Verfassung die gegen Hass einen Schutz gewärleisten. Deshalb ist ein neues Gesetz diesbezüglich überflüssig.> Im weiteren muss festgehalten werden, dass Hr.Meier mit seinen rechthaberischen Zwischenrufen, Frau Herzog oftmals nicht ausreden liess, und seinem Gegenüber damit wenig Respekt zeigte. Das Thema von Schwulen und Lesben wird in meinen Augen von gewissen Leuten immer wieder ‘Hochgespielt’. Es ist ganz klar, dass auch Gesetze diese Menschen nicht vollumfäglich schützen können und es immer wieder ‘Vorfälle’ geben wird.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Rundschau» antwortete Herr Mario Poletti, Redaktionsleiter der Sendung:

«Die Rundschau strahlte am 15. Januar 2020 einen gestalteten Beitrag über die Abstimmung vom 9. Februar 2020 zum Diskriminierungs-Artikel aus – gefolgt von einem Thekengespräch mit Nationalrätin Verena Herzog. Im Beitrag kamen die Pro- und Kontra-Seite in ausgewogener Art und Weise zu Wort. Frau Herzog war eingeladen als eines der prominentesten Mitglieder des Nein-Komitees ‘Nein zu diesem Zensurgesetz!’. Sie ist fünf Tage vor der Sendung erstmals vom Moderator Dominik Meier angefragt und über den geplanten Verlauf der Sendung informiert worden. Moderator Meier wies sie bei allen drei Telefongesprächen im Vorfeld darauf hin, dass das Gespräch besonders kontrovers sein würde. Dies, weil die Gegnerinnen und Gegner der Abstimmungsvorlage durch dieses Gespräch deutlich mehr Sendezeit erhalten würden.

Die Vorwürfe

Der Beanstander kritisiert, dass Frau Anna Rosenwasser ‘das Ansinnen von Redaktor Dominik Meier’ verteidigt habe, wonach es die Änderung des Strafgesetzbuches brauche. Ihr ‘Gegenpart’ im Beitrag, Herr Silvan Amberg, habe mit ‘glaubwürdigen Argumenten’ gegen die Vorlage argumentiert. Der Beanstander stellt fest, Frau Herzog habe argumentiert, dass bestehende Gesetze ein neues Gesetz überflüssig machten. Des Weiteren kritisiert er, der Moderator habe im Thekengespräch Frau Herzog oftmals nicht ausreden lassen, rechthaberische Zwischenrufe gemacht und wenig Respekt gegenüber Frau Herzog gezeigt. Schliesslich sagt der Beanstander, dass das ‘Thema von Schwulen und Lesben’ immer wieder ‘hochgespielt’ werde. Das Gesetz könne diese Menschen nicht vollumfänglich schützen. Es werde immer Vorfälle geben.

Kritik am Beitrag

Der Beanstander stellt fest, dass die beiden Protagonisten im Beitrag unterschiedliche Positionen haben. Dabei wird klar, welche Position er persönlich als glaubwürdig taxiert und welche nicht. Dies ist seine persönliche Beurteilung, die wir nicht kommentieren. Hingegen stellen wir fest, dass der Beitrag ausgewogen war und beide Seiten im gleichen Masse ihre jeweils besten Argumente darlegen können. Wir verwehren uns im Übrigen gegen die Formulierung, dass Frau Rosenwasser ‘das Ansinnen’ des Moderators verteidigt habe. Der Moderator hatte ‘kein Ansinnen’, hingegen hatte er im darauf folgenden kontroversen Gespräch die rein journalistische Aufgabe, Frau Herzog als Gegnerin der Vorlage mit den besten Argumenten der Gegenseite entgegenzutreten.

Kritik am Thekengespräch

Der Beanstander kritisiert, der Moderator habe im Thekengespräch Frau Herzog oftmals nicht ausreden lassen, rechthaberische Zwischenrufe gemacht und wenig Respekt gegenüber Frau Herzog gezeigt. Es ist das seit Jahren bewährte Konzept der Rundschau, dass der Thekengast im Anschluss an den Beitrag vom Moderator mit den Gegenpositionen konfrontiert wird. Bei Abstimmungsthemen gelten dabei besonders strenge Massstäbe. Dies, weil durch die Anlage der Sendung mit dem Thekengespräch eine Seite deutlich mehr Sendezeit erhält als die andere Seite. Vor dem Thekengespräch begleitete die ‘Rundschau’ eine Befürworterin und einen Gegner des Diskriminierungs-Artikels. Dieser Beitrag war in sich ausgewogen und legte den Boden für das Gespräch. Wäre das darauffolgende Gespräch wenig kontrovers gewesen, hätte die Gegnerseite deutlich mehr Sendezeit und dadurch einen Vorteil gehabt. Nationalrätin Herzog konnte während des über siebenminütigen Gesprächs darlegen, warum der Diskriminierungs-Artikel für sie zu weit geht. Sie hat dies engagiert getan. Das Gespräch zwischen ihr und Moderator Meier war intensiv und kontrovers. Dass der Moderator den Gast und der Gast den Moderator dabei verschiedentlich nicht ausreden liessen, kann störend wirken. Entscheidend ist, dass der Gast insgesamt Zeit erhält, seine Position darzulegen und zu verargumentieren. Dies war bei Frau Herzog der Fall. Der Unterbruch zum Schluss des Gesprächs war der abgelaufenen Sendezeit geschuldet. Doch auch hier ging keine entscheidende Argumentation ‘verloren’.

Es ist die Rolle des Moderators, dem Gesprächsgast kritisch auf den Zahn zu fühlen und dabei die Gegenposition des Gastes einzunehmen. Mit ‘Rechthaberei’ oder mangelndem Respekt hat dies nichts zu tu. Dominik Meier nahm seine Rolle als kritischer Befrager wahr. Es war auch angesichts der Abstimmungsthematik seine Pflicht, Aussagen von Frau Herzog bezüglich der heutigen juristischen Situation klar entgegen zu treten. Hätte er sich auf eine Rolle als Stichwortgeber beschränkt und Aussagen zur heutigen juristischen Situation unwidersprochen gelassen, wäre die Sendung nicht mehr ausgewogen gewesen. Eine Verletzung der Neutralität hätte dann vorgelegen, wenn die ‘Rundschau’ einseitig einem Lager die Gelegenheit gegeben hätte, sieben Minuten seine Argumente darzulegen, ohne hartnäckig mit Schwachpunkten, Widersprüchen oder andere Sichtweisen konfrontiert zu werden.

Die persönliche Einstellung des Moderators zur Abstimmungsvorlage spielte und spielt keine Rolle. Dominik Meier brachte in seiner Rolle als kontroverser Interviewers Fakten aus eigener Recherche sowie Standpunkte der Befürworter ein.

Allgemeine Aussagen des Beanstanders

Der Beanstander schreibt, Frau Herzog habe der Argumentation von Herrn Meier entgegengestellt, dass bestehende Gesetze ein neues Gesetz überflüssig machten. Wir werten diese Aussage des Beanstanders als Feststellung und verzichten daher auf eine Stellungnahme. Weiter schreibt der Beanstander, dass das ‘Thema von Schwulen und Lesben’ immer wieder ‘hochgespielt’ werde. Das Gesetz könne diese Menschen nicht vollumfänglich schützen. Es werde immer Vorfälle geben. Hier handelt es sich um die persönliche Meinung des Beanstanders. Einen Zusammenhang zu unserer Sendung und zu unseren redaktionellen Sorgfaltspflichten sehen wir nicht. Wir verzichten daher auch in diesem Punkt auf eine Stellungnahme.

Fazit

Wir bestreiten die vom Beanstander erhobenen Vorwürfe. Der Beitrag war ausgewogen. Das Thekengespräch mit Nationalrätin Herzog war ausnehmend kontrovers und intensiv – dies war der Situation in der heissen Phase des Abstimmungskampfes und der Konstellation mit ‘nur’ der Gegnerseite im Studio angemessen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Die Sendung, die Sie beanstanden, war eine Sendung im Vorfeld der eidgenössischen Volksabstimmung vom 9. Februar 2020, bei der unter anderem über das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung zu entscheiden war. Die Vorlage, um die es hier ging, war keine Erfindung von Radio und Fernsehen SRF und auch nicht von Moderator Dominik Meier, sondern ein Beschluss des eidgenössischen Parlamentes. Die beiden Räte hatten den Artikel 261bis des Strafgesetzbuches und den Artikel 171c des Militärstrafgesetzes so erweitert, dass nicht nur Hass und Hetze und Verleumdung gegenüber Ethnien und Religionen, sondern auch gegenüber Homosexuellen strafbar ist. Der Nationalrat hatte den Gesetzeserweiterungen mit 121:67 Stimmen bei 8 Enthaltungen zugestimmt, der Ständerat hatte sie mit 30:12 Stimmen bei einer Enthaltung gutgeheißen.[2] Dagegen war das Referendum ergriffen worden, so dass es zur Volksabstimmung kam.

Die Sendung wurde dreieinhalb Wochen vor der Volksabstimmung ausgestrahlt, also innerhalb der «heißen Phase» von sechs Wochen, in der erhöhte journalistische Sorgfaltspflichten gelten. In dieser Phase müssen in Diskussionssendungen oder in Sendungen, in denen sich die Kontrahenten äußern, die beiden Lager gleichgewichtig zum Zuge kommen, und in Interviews muss der Gesprächspartner oder die Gesprächspartnerin, wenn sie Teil des Abstimmungskampfes sind, besonders hart befragt werden. Das hat die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) seinerzeit im Fall «Schawinski» mit Paul Rechsteiner festgelegt.[3]

Beides war in dieser Sendung erfüllt. Herr Meier hat Frau Nationalrätin Herzog nicht respektlos behandelt, sondern sie so in die Zange genommen, wie es seine Aufgabe ist. Ihre Kritik ist daher unbegründet. Ich kann Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

Herr Amberg, der Sie überzeugte, konnte auch knapp die FDP von Appenzell Außerrhoden überzeugen, wie die Reportage in Beitrag zeigte, nicht aber das Schweizer Volk: Dieses hieß die neue Strafnorm am 9. Februar 2020 bei einer Stimmbeteiligung von 41,6 Prozent mit 1'413'609 Ja (63,1 Prozent) gegen 827'361 Nein (36,9 Prozent) gut.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann


[1] https://www.srf.ch/play/tv/rundschau/video/mazedonier-clan-diskriminierte-homosexuelle-verena-herzog-iraks-kampf-um-demokratie?id=aad3341a-e7bb-4e86-9426-cf58872cfb1e

[2] https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/abstimmungen/20200209/divieto-della-discriminazione-basata-sull-orientamento-sessuale.html

[3] www.ubi.admin.ch/inhalte/entscheide/b_647.pdf

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