«Tagesschau»: Wildruhezonen und Menschenwürde

Ein Beanstander findet, die «Tagesschau» habe mit einem Beitrag über die Verstärkung von Kontrollen in Wildruhezonen die Grundrechte und die Menschenwürde verletzt. Die Ombudsstelle kann die Argumentation nicht unterstützen.

Aufgrund der Schliessung von Bergbahnen wegen Corona rechnen Wildhüter mit mehr Störungen des Wildbestandes durch Leute, die ausserhalb von Pisten und abseits von Wanderwegen unterwegs sind. Im Beitrag der «Tagesschau» vom 25. Dezember 2020 begleitete ein Reporter einen Wildhüter und einen Polizisten auf einer – ereignislosen – Kontroll-Patrouille. Ein zufällig vorbeikommender Wanderer wurde befragt. Im Bericht wurde ausserdem aufgezeigt, wie geschwächt die Tiere in der Winterzeit sind und wie anstrengend eine Flucht für sie ist.

Widerspruch zur Bundesverfassung?

Der Beanstander stört sich einerseits ganz grundsätzlich an den verstärkten Kontrollen. Dabei verweist er auf die Bundesverfassung. Das Recht auf Bewegungsfreiheit durch die Einrichtung von Wildruhezonen und Naturschutzgebieten werde mehr und mehr eingeschränkt. SRF unterschlage, dass solche Gesetze – nach Meinung des Beanstanders – im Widerspruch zur Bundesverfassung stünden, «dass in der Schweiz grundlegende Menschenrechte in Gefahr» seien und «die menschliche Lebensqualität gegenüber der von Tieren» abnehme.

Andererseits seien die im Beitrag angesprochenen Bussen von 1000 Franken unverhältnismässig, was nach Meinung des Beanstanders ebenfalls hätte thematisiert werden müssen. Weiter spricht er von «totalitärer Überwachung von Wanderern via Feldstecher» und ist der Meinung, der in der Sendung befragte Wanderer wäre aus dem Beitrag gestrichen worden, wenn er etwas anderes getan hätte, als die Meinung des Wildhüters zu wiederholen. Auch der Druck auf die Wildtiere durch Verkehrslärm und Masseneinwanderung werde bei SRF «prinzipiell nie» erwähnt.

Klarer Fokus

Die Redaktion widerspricht den vielen Vorwürfen des Beanstanders vehement. In der Stellungnahme schreibt sie, dass einerseits ein Thema nie umfassend in einem einzigen Beitrag bearbeitet werden könne und dass andererseits die Themenwahl sowie der Fokus innerhalb der Programmautonomie liegen. In der Anmoderation des Beitrags sei klar gemacht worden, worum es im Beitrag geht (und worum entsprechend nicht).

Hinsichtlich der Frage nach der Verhältnismässigkeit der Bussen betont die Redaktion, dass es sich bei der Busse um ein «letztes Mittel» und bei den 1000 Franken um den «oberen Rahmen» handle. Grundsätzlich werde zuerst das Gespräch gesucht.

Auch die Rolle des Wanderers im Beitrag beurteilt die Redaktion anders. Selbstverständlich wäre seine Äusserung auch gezeigt worden, wenn er sich kritisch zu den Wildruhezonen geäussert hätte. Es sei ja gerade darum gegangen, die Meinung einer Person zu zeigen, die sich durch solche Gebiete allenfalls eingeschränkt fühlen könnte.

Kein Verstoss erkennbar

Die Ombudsstelle folgt in ihrer Beurteilung der Argumentation der Redaktion. Der Fokus des Beitrags sei von Beginn an klar gewesen. Gleichzeitig zeigt sie Verständnis für die verschiedenen – vom Beanstander als «fehlend» empfundenen – Themenaspekte. Gleichzeitig betont sie, dass keiner der vom Kritiker erwähnten Punkte für das Verstehen des Beitrags zwingend nötig gewesen sei.

Überwachung und – wenn nötig – das Ahnden von Verstössen seien zentrale Tätigkeiten bei der Kontrolle von Wildruhezonen und sei weit von totalitärer Überwachung entfernt, führt die Ombudsstelle aus. Diese seien im Beitrag «authentisch und sachlich thematisiert» worden. Der Maximalbetrag der Busse sei in der Tat sehr hoch. In diesem Zusammenhang wäre es interessant zu wissen, ob schon jemals eine Busse ausgesprochen worden ist. Die zentrale Botschaft sei jedoch gewesen, dass die Wildhüter zunächst auf ein Gespräch setzen würden.

Die Ombudsstelle kommt zum Schluss, dass kein Verstoss gegen Art. 4 des Radio- und Fernsehgesetzes vorliegt, weshalb sie die Beanstandung nicht unterstützen können.

Text: SRG.D/lh

Bild: SRG.D/Illustration Ombudsstelle

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