Massenbeanstandung zu «Late Night Switzerland»

Zur Comedy-Show «Late Night Switzerland» vom 13. April 2025 sind 514 Beanstandungen bei der Ombudsstelle eingegangen. Sie kritisieren einen Comedy-Beitrag als antimuslimisch, rassistisch und menschenverachtend. Die Sendung habe gefährliche Assoziationen zwischen einer jungen Muslimin und Terrorismus hergestellt. Die Ombudsleute erachten die beanstandete Sequenz als diskriminierend und die Menschenwürde verletzend.
Darum geht es in der beanstandeten Sendung
In ihrer Ausgabe vom 13. April 2025 befasste sich die Comedy-Show «Late Night Switzerland» u.a. mit dem SVP-Politiker Sandro Subotic, der an jenem Wochenende zum Vorstandsmitglied der JSVP gewählt worden ist. Die Satiresendung brachte ein Video, welches auf Subotics Instagram-Profil zu finden ist. Gezeigt wurde ein Interview, in dem er einer im Tschador gekleideten, jungen Muslimin Fragen beantwortete. Auf die letzte Frage «Rechts oder links?» antwortete Sandro Subotic mit «rechts». Die Interviewerin reagierte darauf mit «cool».
Stefan Büssers Kommentar dazu: «Ja, cool…» und: «Unsere Recherche-Abteilung hat leider nicht herausfinden können, ob es sich bei der gezeigten Frau um eine Muslima oder doch um den JSVP-Präsidenten Nils Fiechter beim Demonstrieren handelt.» Darauf ist ein medial bekanntes Bild von Nils Fiechter zu sehen, wie er im März 2016 mit gebasteltem Sprengstoffgürtel auf dem Bundesplatz in Bern für das Verhüllungsverbot demonstrierte.
«Late Night Switzerland» vom 13. April 2025:
«Late Night Switzerland» vom 13. April 2025:
Timecode: 9:49 Min.
Was wird beanstandet?
Die 514 Beanstandungen sind sich sehr ähnlich. Die Mehrheit der Beanstandungen ist gleichlautend. Hauptsächlich wird kritisiert, dass «Late Night Switzerland» einen Zusammenhang herstellt zwischen einer jungen, lokalpolitisch aktiven Frau muslimischen Glaubens und einem rechten Politiker, der bei einer Aktion auf dem Bundesplatz einen Sprengstoffgürtel trägt.
Diese Darstellung sei antimuslimisch, rassistisch und menschenverachtend. In einer Zeit, in der Islamfeindlichkeit in der Schweiz und ganz Europa ständig zunehme, sei es verantwortungslos, islamfeindliche Stereotype und gefährliche Assoziationen zwischen Muslim:innen und Terrorismus humoristisch zu reproduzieren, monieren zahlreiche Beanstander:innen. Derartige Inhalte förderten aktiv die gesellschaftliche Ausgrenzung und Stigmatisierung – insbesondere von muslimischen Frauen. Es sei inakzeptabel, dass ein öffentlicher Sender solchen Darstellungen eine Plattform biete. Die Beanstander:innen erwarten vom öffentlichen Rundfunk stattdessen, Toleranz, Respekt und Vielfalt zu fördern.
Was sagt die Redaktion?
Die verantwortliche Redaktion verweist auf die Satire als besonderes Mittel der Meinungsäusserung. Satire übersteigere die Wirklichkeit, verfremde sie, stelle sie um, kehre wieder zu ihr zurück, banalisiere und karikiere sie, mache sie lächerlich. Zudem falle die Satire in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit sowie der Kunstfreiheit. Wichtig sei, dass das Publikum den satirischen Charakter einer Sendung erkennen könne. Dies sei bei «Late Night Switzerland» aufgrund des Sendeformats der Fall, hält die Redaktion fest.
Ziel der Satire seien im beanstandeten Beitrag nicht die junge Muslimin oder allgemein Muslim:innen gewesen. Vielmehr sei es um die Junge SVP gegangen, insbesondere deren Parteichef Nils Fiechter und seine Propaganda gegen Menschen muslimischer Herkunft. Im Kern sei es beim humoristisch-satirischen Seitenhieb darum gegangen, dass das Interview der jungen Muslimin mit Sandro Subotic so unkritisch und fast freundschaftlich dahergekommen sei. Man habe bei der Interviewerin schon fast eine verkleidete Vertreterin respektive einen verkleideten Vertreter der JSVP vermutet, so die Redaktion. Das eingeblendete Bild von Nils Fiechter habe diese satirische These unterstützen sollen, da dieser sich damals mit Tschador-ähnlichem Gewand und Bombengürtel medienwirksam für das Verhüllungsverbot eingesetzt habe.
Stefan Büsser habe mit dem Beitrag verdeutlichen wollen, dass die JSVP, insbesondere deren Parteichef, nicht davor zurückschrecke, Aktionen durchzuführen, welche potenziell Muslimfeindlichkeit und Rassismus fördern könnten.
Nach Ansicht der verantwortlichen Redaktion würden in der Sendung weder Musliminnen lächerlich gemacht noch mit Terroristen verglichen. Die Bildpointe tangiere keine zentrale Glaubensinhalte des Islam erheblich in negativer Weise und vermittle auch keine rassistische oder islamfeindliche Botschaft. Die Redaktion ist sich bewusst, dass die kritische Reflexion der gezeigten Interviewsituation mit der Bildpointe provokativ ist. Es ist ihr klar, dass diese Form von Humor Geschmackssache ist.
Wer eine Satiresendung einschalte, müsse Satire erwarten und bereit sein, diese auszuhalten, betont die Redaktion. Die Grenze sei da, wo religiöse Gefühle von Gläubigen in ungebührender Weise verletzt oder wo rassistische Botschaften transportiert würden.
Die Redaktion bedauert, sollte sie mit diesem Beitrag die religiösen Gefühle der jungen Muslimin und der Beanstander:innen verletzt haben. Sie sieht jedoch keine Verletzung von programmrechtlichen Bestimmungen.
Was sagt die Ombudsstelle?
Die Redaktion weise zu Recht darauf hin, dass satirische Ausstrahlungen innerhalb der Medienfreiheit und der Programmautonomie einen besonderen Stellenwert geniessen würden, so die Ombudsleute. Satire stehe auch unter dem Schutzbereich von Meinungsäusserungsfreiheit und Kunstfreiheit. Im Rahmen einer satirischen Sendung dürften ebenfalls religiöse Themen in einer kritischen Art aufgenommen werden.
Allerdings seien auch dem Humor und der Satire durch andere Programmbestimmungen, insbesondere durch die Grundrechte des Diskriminierungsverbots und dem Schutz der Menschenwürde, Grenzen gesetzt.
Für die Ombudsleute ist klar, dass in der beanstandeten Szene Sandro Subotic im Fokus steht und sich Stefan Büsser über dessen Social Media-Auftritte lustig macht. Die junge Muslimin diene letztlich als zufälliges Objekt für die Pointe mit dem Sprengstoffgürtel von Nils Fiechter.
Auch wenn Nils Fiechters Aktion im Jahr 2016 nicht zu einem Strafverfahren wegen Rassendiskriminierung geführt habe, sei seine Aktion in weiten Kreisen als deplatziert beurteilt worden.
Fiechter habe mit seiner Aktion auf die Gefährdung durch verkleidete bzw. vermummte terroristische Selbstmordattentäter hinweisen wollen. «Late Night Switzerland» habe nicht nur das Foto der umstrittenen Aktion wieder aufgenommen. Vielmehr habe die Sendung diese Aktion mit einer realen Person in ihrer traditionellen Kleidung als Muslimin verknüpft. Weit mehr als bei Fiechters ursprünglicher Aktion auf dem Bundesplatz sei damit – auch wenn unbeabsichtigt – eine Assoziation hergestellt worden zwischen einer «normalen» jungen Muslimin und dem Stereotyp einer muslimischen Selbstmordattentäterin bzw. eines muslimischen Selbstmordattentäters. Nach Auffassung der Ombudsleute sei deshalb eine auch für satirische Sendungen bestehende Grenze überschritten worden.
Mit dem erzeugten Pauschalurteil habe der beanstandete Beitrag gegen das Diskriminierungsverbot verstossen. Auch das Gebot zur Achtung der Menschenwürde sieht die Ombudsstelle verletzt.
Denn bei der betroffenen Muslimin handle es sich zwar um eine Jungpolitikerin, jedoch nicht um eine Person von öffentlichem Interesse, da ihr Bekanntheitsgrad damals gering gewesen sei. Indem die junge Frau für die – gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstossende – Pointe verwendet worden sei, habe man sie mit ihrer Identität als muslimische Frau zum Objekt reduziert. Zudem sei sie durch die verwendete Bildsprache in einen, in der Realität in keiner Weise bestehenden, Kontext zum islamistischen Terror gesetzt worden. Eine solche Instrumentalisierung verletze die Menschenwürde, kommen die Ombudsleute zum Schluss.