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Leute – ab in die «Arena»!

Der Begriff des medialen Service public und was er (nicht) zu leisten hat, wird in letzter Zeit heiss diskutiert. Die SRG Zürich Schaffhausen ging nun in die Offensive und lud zu einem Anlass ein, bei dem Mitglieder und interessierte Öffentlichkeit gleich selbst die Klingen kreuzten. Als Übung auf die kommenden Debatten.

Seit acht Minuten läuft die Debatte der vier Studentinnen und Studenten zur ­Frage: «Soll SRF Unterhaltungssendungen wie ‹Glanz und Gloria› ausstrahlen?» Dann kommen sie zur Schlussrunde: Die vier Diskutierenden dürfen noch einmal ihre wichtigsten Argumente zusammenfassen. «Privatsender können ebenso gut Unterhaltungssendungen machen wie SRF, deshalb gehören Unterhaltungsformate nicht zum Service public der SRG», sagt ­einer der Studenten. Anders sieht es sein Kontrahent: «Unterhaltungssendungen sind ­neben den oft schwer verdaulichen Infosendungen eine Art Auflockerung für die Zuschauer.» Dann wendet er sich ans ­Publikum und bezieht dieses geschickt ein: «Nach dieser Veranstaltung erhalten Sie ja auch einen Apéro. Und Sie freuen sich darauf.» Die Zuhörer lachen.

«Einverstanden», meint eine der Studen­tinnen. «Aber SRF hat zu viele Unterhaltungssendungen. Deren Kosten treiben die ­TV-Gebühren in die Höhe. Zudem: Manches Unterhaltungsformat ist auf deutschen Sendern oft attraktiver, weshalb also soll SRF nochmals dasselbe produzieren?» «Unterhaltungssendungen gehören zum Service public, das ist der klare Auftrag in der Bundesverfassung», widerspricht die zweite Studentin. Eine Vielfalt an ­Sendungen, insbesondere mit Bezug zur Schweiz, sei deshalb wichtig. Sparen sei zwar nötig, aber nicht, indem man einfach die ganze Unterhaltung streiche.

Vier Studierende debattieren über Unterhaltung - und zeigen, wie's geht.

Trägerschaft will und muss ­mitdiskutieren

Damit ist die Kurzdebatte zu Ende. Die rund 40 Anwesenden am Workshop ­«Service public – die Debatte» applau­dieren. Die vier Studentinnen und Studenten der Zürcher Hochschule für Ange­wandte Wissenschaften ZHAW haben sich ­tatsächlich mächtig ins Zeug gelegt und ­einen kurzweiligen Schlagabtausch auf ­hohem Niveau geboten.

«Als ­Bür­gerinnen und Bürger sollten wir diese ­Debatte nicht allein den Politikern über­lassen.» - Vinzenz Wyss, Präsident der Bildungskommission der SRG Zürich Schaffhausen

Doch nun ist Schluss mit dem blossen ­Zuhören, jetzt muss das «Publikum» selbst in den Ring steigen. «Es geht darum, dass wir uns fit machen für die öffentliche ­Debatte zum Service public», erklärt ­Vinzenz Wyss, ZHAW-Professor und Präsident der Bildungskommission der SRG ­Zürich Schaffhausen. Und er erinnert an die RTVG-Abstimmung vom letzten Juni. ­«Damals haben wir erlebt, dass Argumente auf verschiedenster Ebene vorgebracht werden, wenn es um den Service public der SRG geht.» Auch jetzt, bei der Frage, wie die SRG sparen soll, existierten zahlreiche Vorstellungen. «Doch ich glaube, als ­Bür­gerinnen und Bürger sollten wir diese ­Debatte nicht allein den Politikern über­lassen», sagte Wyss. Der SRG-Verein habe eine Brückenfunktion zwischen Gesellschaft und SRG und sei deshalb verpflichtet, sich an dieser Debatte zu beteiligen.

Ausbildung in der Debattierkunst

Deshalb habe sich die SRG Zürich Schaffhausen entschieden, ihre Mitglieder und weitere Interessierte zusammen mit der ZHAW und der Stiftung «Jugend und ­Wirtschaft» für die anstehenden Diskus­sionen (siehe Kasten) in der Debattierkunst zu schulen.

Urs Marti, Geschäftsführer der Stiftung, erklärt das Ziel ihres Projekts «Jugend ­debattiert»: Um Schülerinnen und Schüler ­debattierfreudiger und damit auch demokratiefähiger zu machen, vermittle das ­Projekt den Lehrerinnen und Lehrern schweizweit eine spielerische Methodik, um das Debattieren in der Schule zu üben. Auch die ZHAW-Studenten haben die ­Methode erprobt und sollen nun die Workshop-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer in Gruppen anleiten.

Vier Themen stehen zur Diskussion – ­neben der Fragestellung betreffend Unterhaltungssendungen werden auch Werbung, Online-Inhalte und Champions League ­thematisiert.

Gleich viel Redezeit für beide Seiten

Die SRG-Mitglieder können ihr Thema frei wählen und begeben sich in einen Gruppen­raum. Dort wird ihnen ihre Position zugeteilt: Zwei Personen müssen die Pro-, zwei die Kontra-Position vertreten – egal, wie sie selber zur Sache stehen. Nach kurzer Vorbereitungszeit beginnt die ­Debatte – nach strengen Spielregeln: Jede der vier Personen legt während einer ­Minute seine Position dar, danach folgt eine sechs­minütige Debatte und am Schluss eine ­Zusammenfassrunde. Das ­Ganze ist unmoderiert, ein «Zeitwächter» sorgt einzig für die ­Einhaltung der Rede­zeiten – es läuft also disziplinierter ab als in der SRF-Sendung «Arena».

Für und wider Online-Angebote der SRG

Bei der Debatte zum Thema «Online-An­gebote» kommt es zur «verkehrten Welt»: Ausgerechnet zwei ältere SRG-Mitglieder ­argumentieren für zusätzliche digitale ­Angebote der SRG, während sich eine ­Studentin und ein Student dagegen aus­sprechen müssen. «In der heutigen digi­talen Welt muss ein Anbieter die Möglichkeit haben, seine Sendungen zeitversetzt, auf Social-Media-Plattformen und inter­aktiv anzubieten», sagt ein Befürworter. Die Jungen seien zudem fast nur noch digital abzuholen. Dem hält sein junger Kontrahent entgegen, dass die App «politbox» nicht zu einer Sendung gehöre, sondern die Jungen für die Parlamentswahlen ­motivieren will. «Das ist aber nicht die Aufgabe der SRG.» Sie soll dies deshalb den Privaten überlassen. «Zudem sind Apps teuer, was am Ende zu höheren Gebühren führen könnte.»

«Ich bezahle lieber mehr Gebühren, als dass ich private Sender nutze», hält ihm der zweite Pro-Vertreter entgegen. Denn bei den Privaten müsse man gleich doppelt «bezahlen»: Zum einen müsse man «nervig lange Werbeblöcke» in Kauf nehmen, zum andern als Konsument beim Kauf von Markenartikeln die teure TV-Werbung berappen. Einig wird man sich nicht. Das ist auch nicht nötig. Denn es geht ja ums Üben.

Für gute «Musik» brauchts mehr

Nach den Gruppendebatten treffen sich alle nochmals zu einem gemeinsamen Austausch. Dass man bei dieser Methodik bisweilen einen Standpunkt einnehmen muss, den man selbst nicht wirklich ­vertritt, erlebten viele als Herausforderung. «Aber es tut gut, mal in die Mokassins des politischen Gegners zu schlüpfen», meint ­jemand. Ein anderer sieht es kritischer. Mit dem Anlass sei erst ein Anfang gemacht. Es sei, wie wenn man einer ­Gruppe Kinder eine Geige aushändige, ­damit jedes kurz mal darauf kratzen kann. «Das ist aber noch nicht Musik», mahnt er. Eine Frau lobt dagegen, dass sie selbst ­mit­de­bat­tieren musste. «Das ist ganz anders, als wenn man sich bloss einen Vortrag zum Thema anhört», sagt sie.

Damit hat sie erfasst, worum es bei den Probedebatten ging – beim Thema Service public sind nun die Bürgerinnen und ­Bürger gefordert: Jede und jeder muss sich selbst informieren, eine Meinung bilden und diese am Familientisch, im Freundeskreis, in Beruf oder Öffentlichkeit fundiert vertreten.

Text: Markus Knöpfli
Bilder: SRF / Oscar Alessio


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