SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

Politische Berichterstattung von Radio und Fernsehen SRF beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 19. November 2018, ergänzt durch Ihre E-Mail vom 24. November 2018, beanstandeten Sie nicht eine einzelne Sendung, sondern die politische Berichterstattung von Radio und Fernsehen SRF überhaupt. Ihre Eingabe ist zwar ungewöhnlich, und sie entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung nicht ganz. Da Sie aber grundsätzliche Fragen aufwerfen, bin ich trotzdem bereit, darauf einzutreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Ich möchte hiermit den Antrag stellen, dass meinem Kabelanschluss an meiner Wohnadresse die Programme von SRG SRF Idee Suisse, sowie deren Inhalte im Internet gesperrt werden. Weiter beantrage ich die Befreiung der Fernsehgebühren.

Wenn eine staatlicher Nachrichtensender nur einseitig berichtet und sich weder kritisch mit der Nato oder amerikanischen Aktivitäten in Europa auseinandersetzt. Weder Motive, Geschichte, Werdegänge von Gegenparteien wie bspl. Assad oder Putin etc. beleuchtet. Noch sich kritisch mit der Vergangenheit auseinandersetzt, als Beispiel sei der Jugoslawien-Konflikt genannt, wo niemals irgendwelche KZ's im Kosovo gefunden wurden oder der Irakkrieg, wo es keine Massenvernichtungswaffen gab. Dies sind Dinge, deren Aufklärung mehr als wichtig ist, wenn man auf zukünftige Konflikte und deren Rechtfertigung schaut. Ein Medium, welches niemals alle Seiten der Konfliktparteien anschaut, hat keinen Wert. Mehr noch, ohne Informationen zur Gegenpartei kann daraus nur und ausschliesslich Propaganda entstehen. Wenn dazu, nur über Einzelereignisse berichtet wird und dies auch nur solange diese aktuell sind, bzw. Bomben fallen und niemals, die Geschehnisse unserer Zeit in einen geschichtlichen Zusammenhang gebracht werden, dann ist eine Berichtserstattung nichts wert und sollte besser ganz weggelassen werden.

Ich habe 2 heranwachsende Kinder und es ist meine Aufgabe, diese zu kritisch denkenden Menschen zu erziehen. Dies wird mir durch die hanebüchende journalistische Qualität des Schweizer Fernsehens, welches eigentlich unabhängig, neutral und sachlich sein sollte deutlich erschwert.

Nimmt man alle Kriege zusammen, die im Namen des Kriegs gegen den Terror geführt wurden, gehen die Opferzahlen in die Millionen und bilden das grösste Verbrechen unserer Zeit. Nicht zuletzt auch deshalb, weil nach UNO-Charta Angriffskriege verboten sind. Hat das SRF jemals darauf hingewiesen? Ich denke nicht! Genau deshalb macht sich das SRF mitschuldig an Millionen von Toten und ich fordere daher mein Recht ein, diese Tötungsmaschinerie nicht länger zu unterstützen und den schädlichen und zerstörerischen Einfluss des schweizer Fernsehens auf meine Kinder zu unterbinden.

Ich möchte, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden, noch darauf hinweisen, dass Kommunikation mit der Nachrichtenredaktion bereits stattgefunden hat. Die Antwort besagt im wesentlichen, dass sich SRF nicht mit Verschwörungtheorien befassen will und der Irakkrieg Völkerrechtswidrig war und darüber berichtet wurde.

Weshalb der Angriffskrieg der Amerikaner und Nato auf Syrien nun aber Völkerrechtskonform und kompatibel zum UNO Gewaltverbot sein soll, wird nicht eingegangen. Immerhin haben wir hier Parallelen. Die Kriegsbegründung für den Irak sind erfundene Massenvernichtungswaffen.

Der Kriegsgrund für Syrien ist ein Giftgasangriff, welcher nie bewiesen wurde und es gibt noch zahlreiche andere Kriege, mit äusserst zweifelhafter Begründung.

Auch möchte ich Zweifel anmelden, ob die Nachrichtenredaktion der richtige Ansprechpartner ist. Diese Verarbeitet in der Hauptsache die Informationen welche Sie von den 4 grossen Nachrichtenagenturen bekommen und bereits mit den Interessen der Nato und USA konform sind und angesichts der beschränkten Sendezeit für Nachrichtensendungen gar nicht auf Geschichte eingehen können.

Meine Hauptanliegen sind in kurzen Worten ausgedrückt:

1. (Hauptkritik) Wenn das schweizer Fernsehen einen Bildungsauftrag hat, warum wird dann kaum Sendezeit für die jüngere Weltgeschichte aufgewendet? Das Kriegsgeschehen kann nicht durch gestückelte tagesaktuelle Nachrichten verstanden werden. Da ist die Nachrichtenredaktion chancenlos, egal wie gut sie Ihren Job macht. Wenn man halbwegs neutral sich zum Kriegsgeschehen äussern will, MUSS es eine Sendung oder besser mehrere geben, welche sich mit der jüngeren Geschichte befasst, diese vernetzt und die Akteure, deren Motive, vergangenen Aktivitäten, Vertrauenswürdigkeit und Strategien beleuchtet. Wieso ist Weltgeschichte kein Thema beim schweizer Fernsehen? Warum setzt man auf vorgefertigte, meist eher emotionale Meinungen und bildet die Zuschauer nicht dahingehend, dass diese eine eigene Meinung bilden können?

Dies darf gerne auch, aber nicht ausschliesslich auch Satire geschehen. Ein Beispiel wäre ‘Die Anstalt’ vom ZDF. Auch muss unbedingt darauf geachtet werden, dass man sich nicht auf das Thema ‘2. Weltkrieg’ versteift. Eine gute Quelle um Kriegspropaganda zu analysieren wäre im übrigen Vietnam. Da damals der Nachrichtenfluss weniger stark eingeschränkt war und sich Reporter im Kriegsgebiet bewegen durften.

2. Wenn die Nachrichtenquellen (Nachrichtenagenturen) mit hoher Wahrscheinlichkeit kompromittiert sind und sachliche, unabhängige Information dadurch erschwert bis verunmöglicht wird, weshalb hält sich das Schweizer Fernsehen dann nicht an die Informationen, welche gesichert sind.

Diese wären unter Anderem:

- Kein UNO Mandat

- Angriffskriege sind gemäss UNO-Charta Völkerrechtswidrig

- Russland hat kein Vetorecht in der UNO, was die Lage in Syrien weiter verschärft. Die USA und damit auch die NATO darf im Prinzip straffrei alles.

- Zweifelhafte Methoden und Menschenrechtsverletzungen der Machthaber sind kein Kriegsgrund, sondern Kriegspropaganda. Aufgrund dieser Begründung müsste man ansonsten China und Kolumbien sofort angreifen, stattdessen hat die Schweiz aber Freihandelsabkommen mit diesen Staaten verhandelt.

- Die Sanktionen gegen Syrien, welche auch die Schweiz unterstützt, tötet die syrische Zivilbevölkerungen da die medizinische Infrastruktur nicht aufrecht erhalten werden kann.

3. Weshalb wird die Rolle der NATO, welche unter amerikanischer Kontrolle steht nicht weiter beleuchtet? Auch wird die NATO so gut wie nie kritisch beleuchtet oder über deren Aufbau, Kommandstruktur, Ziele berichtet. Was bedeutet beispielsweise die Natopartnerschaft für die Schweiz? Auch hier ist es unmöglich für die Nachrichtenredaktion auf diese Frage kritisch in 5 Minuten Sendezeit, welche dafür in den Nachrichten aufgewendet werden könnten zu beantworten.

4. Insbesondere Heranwachsende und junge Erwachsene, können durch gestückelte Tagesinformationen im Zusammenhang mit der noch fehlenden Lebenserfahrung, ein recht einseitiges Weltbild entwickeln.

5. Meine Kritik bezieht sich nicht auf die Nachrichtenredaktion, welche nach ihren Möglichkeiten arbeitet, sondern auf den nicht wahrgenommenen Bildungsauftrag des schweizer Fernsehens, welche es nicht ermöglichen, gestückelte Tagesinformationen richtig einzuordnen. Man kann objektiv keinen Krieg, keine Toten und keine Zerstörung rechtfertigen, aufgrund von Informationen die nicht gesichert sind und sich immer und immer wieder als Falsch herausstellen. So geschehen in Jugoslawien (nicht vorhandene Konzentrationslager), Vietnam (provozierter, aber hoffnungsloser Angriff der Vietnamesen auf ein ausgewachsenes Kriegsschiff), Irak (nicht vorhandene Massenvernichtungswaffen), Syrien (unbewiesener Giftgasangriff). Die Liste lässt sich beliebig weiter fortsetzen. Das muss thematisiert werden und zwar in hoher Frequenz mit genügend Sendezeit in Form von einer eigenständigen Geschichtssendung und (aber nicht oder) falls unbedingt auch unterhaltungswert gewünscht ist oder das Thema zu heikel auch gerne in Form von Satire.»

B. Radio und Fernsehen SRF erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Die Antwort stammt von Herrn Tristan Brenn, Chefredaktor von Fernsehen SRF:

„Mit Mail vom 19. November und Ergänzungen vom 24. November hat Herr X eine umfangreiche Beanstandung gegen die SRF-Nachrichtenberichterstattung eingereicht. Die Beanstandung richtet sich nicht gegen einzelne Beiträge und/oder Sendungen, sondern sie kritisiert die Berichterstattung über Auslandthemen ganz generell. Zudem stellt der Beanstander ganz konkrete Forderungen bezüglich TV-Anschluss und Gebühren.

Es ist nicht einfach, auf die generelle Kritik zu antworten. Die Chefredaktion von TV SRF versucht es im Folgenden trotzdem.

Sperrung des Anschlusses und Befreiung von Gebühren

Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft SRG hat gemäss Artikel 23 ff. des Gesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) einen Programmauftrag samt dazugehöriger Konzession.[1] In Artikel 30 RTVG ist festgelegt, dass die Radio- und Fernsehprogramme der SRG <mindestens in der betreffenden Sprachregion flächendeckend verbreitet> werden. Der Bundesrat bestimmt für jedes Programm das Versorgungsgebiet und die Verbreitungsart.

In Artikel 34 RTVG ist auch die Finanzierung der SRG festgehalten. Danach finanziert sich die SRG zur Hauptsache durch Abgaben für Radio und Fernsehen. In Artikel 69 RTVG wird die Abgabe, respektive die Befreiung von der Abgabepflicht geregelt. Diese ist auf Begehren vorgesehen für Bezügerinnen und Bezüger von Ergänzungsleistungen, respektive für diplomatisches Personal gemäss Gaststaatengesetz.

Mit anderen Worten: Der Kabelnetzbetreiber ist zur Verbreitung der SRG-Radio- und Fernsehprogramme gesetzlich verpflichtet; die Befreiung von der Abgabe ist gesetzlich eng begrenzt.

Staatlicher Nachrichtensender

Herr X verwendet in seiner Beanstandung den Begriff ‚staatlicher Nachrichtensender‘. Die SRG – und damit auch SRF in der deutschen und rätoromanischen Schweiz – arbeiten auf der Grundlage von Verfassung, Radio- und Fernsehgesetz RTVG und Konzession. Bereits in der Bundesverfassung ist in Artikel 93, Absatz 3 festgehalten, dass <die Unabhängigkeit von Radio und Fernsehen sowie die Autonomie in der Programmgestaltung gewährleistet sind>.[2] Der Schweizer Souverän, also Volk und Stände, hat also festgeschrieben, dass Radio und Fernsehen eben unabhängig vom Staat arbeiten müssen. Der Begriff ‚staatlicher Nachrichtensender‘ ist aufgrund der Rechtslage falsch.

Blick auf die Geschichte

Der Beanstander wirft SRF vor, Fernsehen SRF würde kaum Sendezeit für die jüngere Geschichte verwenden. Diesem Vorwurf widersprechen wir.

Zum einen berichten die tagesaktuellen Informationssendungen Tagesschau und 10v10 über das aktuelle Geschehen. Dem Beanstander ist insofern zuzustimmen, dass einzelne Nachrichten nicht ausreichen, um gesellschaftliche und politische Vorgänge zu verstehen. Aus diesem Grund kommen in den beiden erwähnten tagesaktuellen Sendungen auch immer wieder Korrespondentinnen und Korrespondenten von SRF zur Wort, welche die Aktualität aufgrund ihrer Kenntnisse, aufgrund ihrer Präsenz vor Ort und aufgrund ihres Hintergrundwissens einordnen und das Handeln von politischen Akteuren verständlich erklären.

Zum zweiten hat SRF verschiedene Sendegefässe, welche das internationale Geschehen in längeren Formaten beleuchten und ergründen. Es sind dies die Sendungen Rundschau und SRF global, welche mit Reportagen, Gesprächen mit Experten und Korrespondenten jeweils verschiedenste Aspekte eines Themas aufgreifen. Es ist dies aber auch die Sendung DOK, welche mit filmischen Reportagen aktuelle Ereignisse vertieft und oft aus der Sicht der Betroffenen beleuchtet. Auch die Sendung mySchool widmet sich der Geschichte, oft aus dem Blickwinkel junger Menschen.

Herr X erwähnt in seiner Ergänzung vor allem den Krieg in Syrien. SRF-Korrespondent Pascal Weber hat in den vergangenen Jahren diesen Krieg journalistisch eng begleitet. In seinen vielen Reportagen und Analysen hat er immer wieder auf die völkerrechtliche Problematik hingewiesen. Er hat klar gemacht, dass alle Seiten in diesem Krieg, die syrische Armee und die Aufständischen, die regionalen Mächte Saudi-Arabien, Türkei und Iran sowie die involvierten Grossmächte jeweils ganz eigene Interessen verfolgen, und diese mit roher Gewalt gegenüber der leidenden Bevölkerung auch durchsetzen.

Im Folgenden ein paar Beispiele von SRF-Sendungen zu den vom Beanstander erwähnten Themen und Gebieten:

  • SRF global vom 7. September 2017: Diese Sendung befasst sich mit Menschenrechten in der heutigen Zeit; diese geraten weltweit unter Druck. Stellung nimmt die ehemalige Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes für die Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien sowie für den Völkermord in Ruanda und spätere Sonderermittlerin der UNO für Menschenrechtsverletzungen in Syrien Carla del Ponte.[3]
  • Sondersendung der Rundschau zum Bürgerkrieg in Syrien vom 19. Oktober 2016: Diese Sendung widmet sich ganz dem Krieg in Syrien, darin enthalten ein Interview mit Präsident Baschar al-Assad.[4]
  • Rundschau vom 6. Januar 2016 zum Verhältnis des Westens zu Saudiarabien, das Menschenrechte verletzt und in den Kriegen in Syrien und im Jemen mitbeteiligt ist. Gerade dieses Beispiel zeigt – fast drei Jahre vor dem Fall Kashoggi – dass sich SRF sehr wohl kritisch mit der Bündnispolitik der USA im Nahen Osten auseinandersetzt.[5]
  • Die Sendung 10v10 vom 24. September 2014 hinterfragt den Luftangriff der US-Streitkräfte in Syrien ohne UNO-Mandat. Bundesrat Didier Burkhalter erklärt klar, dass dieser Angriff völkerrechtswidrig sei. Er weist darauf hin, dass das Recht immer stärker durch Machtpolitik verdrängt werde.[6]

Ich verweise im Weiteren auf die beigelegte Excel-Liste, welche die Abteilung Dokumentation Video zusammengestellt hat. Verschiedene Dokumentarfilme (Sendungen DOK und mySchool) sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht im Internet-Angebot von SRF verfügbar. Diese Liste erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit; sie belegt aber eindrücklich, dass SRF die neuere und neuste Geschichte – und nicht nur Kriege – in verschiedensten Formaten in den Fokus nimmt. SRF kommt damit dem vom Beanstander geforderten Bildungsauftrag nach.[7]

Nachrichtenquellen

SRF weist den Vorwurf von sich, sich auf ‚mit hoher Wahrscheinlichkeit kompromittierte Nachrichtenquellen‘ zu stützen. Die Redaktionen von SRF überprüfen soweit möglich die vorhandenen Bild- und Textquellen. Ist dies bei kriegerischen Auseinandersetzungen nicht möglich, so wird die Quelle (Herkunft der Bilder) transparent gemacht. SRF verzichtet auf ‚embedded journalism‘ und macht transparent, wenn eine Reise in ein Kriegsgebiet aus Sicherheitsgründen nur mit Unterstützung einer Kriegspartei möglich war.

Pflicht zur Ausgewogenheit und Qualität

Die Sendungen von SRF berichten gemäss ihren Publizistischen Leitlinien sachgerecht, vielfältig und unabhängig. [8] Sachgerecht ist eine Darstellung dann, wenn sie alle verfügbaren Fakten in Betracht zieht und nur darstellt, was nach bestem Wissen und Gewissen für wahr gehalten wird. Das Gebot der Sachgerechtigkeit erfordert zudem Transparenz, indem Quellen nach Möglichkeit offengelegt werden. Dies gilt insbesondere für Bilder aus einem Kriegsgebiet.

Die Chefredaktion von Fernsehen SRF ist sich bewusst, dass die Publizistischen Leitlinien sehr hohe Ansprüche an die Redaktionen stellen. Diese hohen Ansprüche bestehen zu Recht; das Publikum hat das Recht auf eine seriöse und faktengetreue Berichterstattung. Die Chefredaktion von Fernsehen SRF ist sich auch bewusst, dass auch Fehler vorkommen können. Diese werden intern, beispielsweise in den Sendekritiken, thematisiert. Auch die Ombudsstelle mit ihren Berichten zu Beanstandungen trägt zur Qualitätssteigerung der ausgestrahlten Programme bei.

Eine unabhängige Untersuchung des Forschungsinstitutes Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich (Jahrbuch Qualität der Medien) attestiert den Sendungen der SRG eine sehr hohe Qualität.[9] Die Formulierung in der Beanstandung (‚hanebüchene journalistische Qualität des Schweizer Fernsehens‘) weise ich in aller Form zurück.

Völkerrecht

Der Beanstander bezieht sich in seinem Schreiben immer wieder auf das Völkerrecht, das er sehr formal und auf eine rein staatliche Ebene reduziert. Ohne UNO-Mandat sei eine Intervention immer völkerrechtswidrig. Die Sendung 10v10 hat diese Problematik am 13. April 2018 behandelt.[10] Das Völkerrecht hat sich angesichts der verschiedenen humanitären Katastrophen und unter dem Eindruck der Machtlosigkeit der UNO, in deren Organen sich die involvierten Grossmächte immer wieder gegenseitig blockieren, weiterentwickelt. Heutzutage spricht man unter Völkerrechtlern auch vom Konzept der ‘Responsability to Protect’, also der Verantwortung, Menschen zu schützen. [11] Das Individuum, die Opfer von Kriegsverbrechen, von Völkermord, von ethnischen Säuberungen und von Verbrechen gegen die Menschlichkeit treten in den Fokus des Völkerrechtes. Staatliche Souveränität ist kein Privileg und kein Freipass, sondern wird als Verpflichtung gegenüber den Menschen gesehen.

Verantwortung

Das Schweizer Fernsehen übernimmt die Verantwortung für die Inhalte seiner Sendungen. Sie macht dies wie erwähnt nach bestem Wissen und Gewissen, im Rahmen der rechtlichen Vorgaben in Verfassung, Gesetz und Konzession und in Befolgung der eigenen Publizistischen Leitlinien.

Das Schweizer Fernsehen kann aber nicht ‚mitschuldig an Millionen von Toten‘ gemacht werden. Kriege führen Militärs aufgrund von Befehlen von Politikern – und nicht die Sendungen des Schweizer Fernsehens. Die Gleichsetzung von SRF mit einer ‚Tötungsmaschinerie‘ ist eine grobe Beleidigung für alle Mitarbeitenden und grenzt an Ehrverletzung.

Fazit

Schweizer Radio und Fernsehen SRF bemüht sich um sachgerechte Berichterstattungen in allen Themen – und zwar in der Tagesaktualität wie in vertiefenden Sendungen wie Gesprächen oder Dokumentationen. Einzelne Fehler können bei der Ombudsstelle beanstandet werden.

Schweizer Radio und Fernsehen berichtet kontinuierlich über weltpolitische Themen und analysiert diese mit eigenen Korrespondenten und externen Experten. Das Weltgeschehen des 20. Und 21. Jahrhunderts ist wesentlicher Bestandteil des gesamten Programms.

Ich bitte Sie, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.“

C. Damit komme ich zu meinem eigenen Kommentar zu Ihrer grundsätzlichen Kritik. Zunächst möchte ich Ihnen ein Kompliment machen: Es ist lobenswert, dass Sie sich Gedanken darüber machen, wie Sie Ihre beiden Kinder zu kritisch denkenden Menschen erziehen. Wichtig scheint mir dabei, dass sie möglichst vielfältige Informationen erhalten, damit sie lernen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Beispielhaft schien mir da mein Vorgänger als Ombudsmann, Achille Casanova. Als seine beiden Kinder noch im elterlichen Haus lebten, wurde am Familientisch immer diskutiert. Wenn ein Argument fiel, setzte Achille Casanova dem ein Gegenargument entgegen, so dass die Kinder darin trainiert wurden, weitere Argumente vorzubringen. Dieser Diskurs schärfte ihr Weltbild, und der Sohn und die Tochter erinnern sich dankbar an diese gute Schule. Heute ist es dank des Internets ja eh nicht mehr schwierig, an vielfältige Informationen heranzukommen. Aus Ihrer Beanstandung geht aber hervor, dass Sie den Informationen von Fernsehen SRF grundsätzlich misstrauen. Sie erheben dabei namentlich fünf Vorwürfe:

  1. SRF sei einseitig und vermittle bloss Propaganda. Es sei vor allem unkritisch gegenüber der Nato und den USA und arbeite die Vergangenheit (wie den Vietnamkrieg, den Irakkrieg oder den jugoslawischen Bürgerkrieg) nicht kritisch auf. Es halte sich zu sehr an interessengeleitete Nachrichtenagenturen.
  2. SRF halte sich nicht an gesicherte Fakten.
  3. SRF vernachlässige seinen Bildungsauftrag und bringe zu wenig große Stücke.
  4. SRF sei geprägt durch eine hanebüchene journalistische Qualität.
  5. SRF sei wegen seiner Berichterstattung mitschuldig an Millionen von Toten.

Zu 1: Ich glaube, Sie haben keine Ahnung, was Propaganda ist. Propaganda ist (wahre oder erlogene) Information als fortgesetzte Kampagne für oder gegen etwas. Propaganda ist auf Eintrichtern ausgerichtet, nicht auf Aufklärung. Sie will die Reihen schliessen, die Erregung aufrechterhalten, immer wieder dieselben Parolen wiederholen, die Abweichler bloßstellen, die Gegner in die Enge treiben, den Sieg erringen. Propaganda kämpft, lärmt, hetzt. Davon ist bei SRF gar nichts zu finden. Wenn ich mir die Sendungen von SRF ansehe, dann erlebe immer wieder das echte Bemühen um Aufklärung. Dass es dabei auch Fehler und Irrtümer gibt, will ich nicht in Abrede stellen.

Zu 2: Sie zählen Fakten auf, die angeblich gesichert sind, aber sie tischen dabei auch Fake News auf. So stimmt es nicht, dass Russland in der Uno kein Vetorecht hat, im Gegenteil: Die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich können als ständige Mitglieder im Sicherheitsrat je allein mit ihrem Veto jede Resolution blockieren (was auch immer wieder geschieht). Sie bezeichnen ferner Menschenrechtsverletzungen als Kriegspropaganda. Damit fallen Sie in einen Jargon zurück, den die Schweizer Behörden während des Zweiten Weltkriegs pflegten: Sie nannten die Berichte von der systematischen Ermordung der Juden durch das nationalsozialistische Deutsche Reich als «Gräuelpropaganda». Das heißt: Man weigerte sich, die Berichte zu glauben, weil man wegsehen wollte. Es gibt aber gegenwärtig himmelschreiende Menschenrechtsverletzungen in vielen Ländern, gerade auch in Syrien, nicht nur durch den IS, nicht nur durch die islamistischen Rebellen, sondern auch durch die staatlichen syrischen Geheimdienste.

Zu 3: Den Ausführungen von Fernseh-Chefredaktor Tristan Brenn konnten Sie entnehmen, dass entgegen Ihrer Ansicht eben immer wieder der größere historische Bogen geschlagen wird. Das möchte ich noch ergänzen: 2017 gab es einen längeren Film zur Bau- und Finanzierungsgeschichte des Gotthard-Tunnels. Dieses Jahr wurde beispielsweise der Landesstreik von 1918 aufgearbeitet, außerdem ging der Blick zurück in den Kalten Krieg – mit dem Film über die «Geheimarmee» P-26. Solche Stücke gibt es immer wieder. Aus meiner Sicht anerkenne ich dankbar, dass SRF seinen Bildungsauftrag ernst nimmt.

Zu 4: Mit der «hanebüchenen journalistischen Qualität» haben Sie zudem krass danebengegriffen. Was macht journalistische Qualität aus? Sie ist dann vorhanden, wenn die Sachkompetenz (also das Ressortwissen), die Fachkompetenz (also das Medienwissen) und die Vermittlungskompetenz (also das Präsentationswissen) zusammenspielen, wenn die Publikationen relevant, aktuell und verständlich sind, wenn die handwerklichen und berufsethischen Regeln eingehalten werden und wenn eine Varietät an Journalismuskonzepten (Nachrichtenjournalismus, Recherchierjournalismus, Investigativjournalismus, anwaltschaftlicher Journalismus, Interpretationsjournalismus, Präzisionsjournalismus, Public Journalism, Servicejournalismus, Unterhaltungsjournalismus etc.) und an Darstellungsformen (Berichte, Analysen, Interviews, Porträts, Reportagen, Kommentare, Kritiken, Satiren usw.) ausgespielt wird. Ich beobachte die Sendungen und Publikationen von SRF seit zweieinhalb Jahren sehr genau, und ich kann sagen, dass SRF dieses Anforderungsprofil fast durchgehend erfüllt. Und SRF kann international mithalten.

Zu 5: Ihre Behauptung, SRF sei mitschuldig an Millionen von Toten, ist gleichzeitig absurd und empörend. Absurd, weil SRF einen Krieg weder organisiert hat noch finanziert noch führt. Sie begründen den Kriegsvorwurf damit, dass SRF Angriffskriege nie anprangere (und sie meinen damit vor allem die Militärinterventionen der USA in Korea, in Vietnam, in Grenada, in Irak, in Afghanistan, in Kosovo, in Libyen oder in Syrien und seltsamerweise meinen Sie aber wahrscheinlich nicht die Militärinterventionen der Sowjetunion in Korea, in der DDR, in Ungarn, in der Tschechoslowakei, in Afghanistan und Russlands Militärinterventionen in Tschetschenien, in Georgien, in Syrien, in der Ukraine usw. Wenn Sie die Sendungen von Radio und Fernsehen SRF genau verfolgen, werden sie feststellen, dass SRF jede Militärintervention, ob sie von den USA oder von Russland oder von Dritten ausgeht, kritisiert. Und genau darum ist Ihr Vorwurf empörend: Sie wollen den Überbringer der schlechten Nachricht hängen statt den Verursacher.

Und zum Schluss noch Grundsätzliches: Die SRG ist kein «staatlicher Nachrichtensender», wie Sie es formulieren. Ein staatlicher Nachrichtensender wäre der Lautsprecher des Bundesrates. Die SRG ist aber, genau wie alle anderen schweizerischen Rundfunkmedien, inhaltlich vom Staat unabhängig.[12] Somit sind die Medien in der Schweiz, und auch die SRG, immer wieder Widersprecher des Bundesrates (und der Verwaltung, des Parlamentes, der Gerichte usw.). In der Demokratie ist es die Aufgabe der Medien, zu stören. Und es ist ihre Aufgabe, die Ereignisse, Entwicklungen, Ideen und Positionen kritisch zu hinterfragen, und zwar alle, nicht nur die inländischen, sondern auch die ausländischen, und dort nicht nur die russischen oder chinesischen, sondern auch die amerikanischen oder britischen. Kritischer Journalismus haut aber nicht einfach drauf, sondern stützt sich auf belegte Fakten. Das bedeutet, dass Journalistinnen und Journalisten nur berichten, was sich auf mündliche oder schriftliche Quellen stützt, und sich nicht mit Gerüchten, Vermutungen, Verschwörungstheorien oder freien Erfindungen behelfen. Soweit ich sehe, bemüht sich SRF, genau diesen Auftrag zu erfüllen.

Sie sehen, dass ich Ihrer Fundamentalkritik wenig abgewinnen kann, weil die Fakten gegen Ihre Vorhaltungen sprechen. Sie sehen entweder die Sendungen durch eine stark gefärbte Brille oder Sie kennen das Programm überhaupt nicht. Aus diesem Grund kann ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20001794/201701010000/784.40.pdf

[2] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19995395/index.html

[3] https://www.srf.ch/play/tv/srfglobal/video/schlechte-zeiten-fuer-menschenrechte-mit-carla-del-ponte?id=5e4b2e49-144f-43a2-9ad7-f58b39cdf020

[4] https://www.srf.ch/play/tv/rundschau/video/sondersendung-rundschau--interview-mit-dem-syrischen-praesidenten-assad?id=9048aa49-b17c-41c9-80b0-9de0bf9f387c

[5] https://www.srf.ch/play/tv/rundschau/video/das-dilemma-des-westens?id=f2e5b20b-efe9-4186-bd6e-0c0283e36b30

[6] https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/10vor10-vom-24-09-2014?id=feffe37e-b00b-4989-be0c-e85165b5ed93

[7] Vgl. Beilage Dokumentation Video

[8] https://www.srf.ch/unternehmen/unternehmen/qualitaet/publizistische-leitlinien-srf

[9] https://www.foeg.uzh.ch/de/jahrbuch.html

[10] https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/10vor10-vom-13-04-2018?id=754faa2c-f29e-4d60-9e6e-fe4a60c39c77

[11] https://www.unric.org/en/responsibility-to-protect?layout=default

[12] Das sagt nicht nur die Bundesverfassung, das bekräftigt ausdrücklich das Radio- und Fernsehgesetz in Artikel 3a: „Radio und Fernsehen sind vom Staat unabhängig“ (https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20001794/index.html)

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