SRF 3-Sendung «Die andere Presseschau» von Peter Schneider beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 14. April 2019 beanstandeten Sie «Die andere Presseschau» von Peter Schneider (Radio SRF 3) vom gleichen Tag.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Ich habe soeben per Zufall auf SRF3 eine Wiederholung der anderen Presseschau von Peter Schneider zur Tötung des Schülers Ilias in Basel gehört. Ich war irritiert und habe vor dem Ende wieder auf einen anderen Sender gewechselt.

Ich kann schwarzen Humor durchaus verstehen. Doch diese Sendung ging mir zu weit.

Die Direktbetroffenen des Vorfalls, die Familie des Opfers wie auch die Täterin standen nie in der Öffentlichkeit und haben diese meines Wissens auch nie gesucht.

Ich habe grundsätzlich Fragezeichen zum Umgang der Öffentlichkeit und der Medien mit diesem Fall. Diesen dann aber auch noch satirisch zu verwerten, finde ich äusserst abstossend. Das Leid der Betroffenen wird zur Belustigung genutzt und dadurch aus meiner Sicht herabgesetzt.

Darf ich Sie oder Peter Schneider um Ihre resp. seine Sichtweise und Stellungnahme bitten.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendung antwortete Herr Roland Wehrli, Co-Leiter von Radio SRF 3:

«Mit Mail vom 14. April 2019 beanstandet Herr X die tägliche Satirerubrik von Peter Schneider vom Sonntag, 14. April auf Radio SRF 3. Wir nehmen hier gerne wie folgt Stellung:

Die tägliche Satire-Rubrik ‘SRF 3 - die andere Presseschau mit dem SRF 3 Haussatiriker Peter Schneider’ setzt sich seit über 30 Jahren mit den Erzeugnissen anderer Medien auseinander, seien es Schlagzeilen, Artikel oder auch Leserbriefe. Formal sind Zitate aus der Presse als von einer weiblichen Stimme gelesen und seine eigenen Kommentare mit eigener Stimme immer gut hörbar getrennt. Die Rubrik ist klar gekennzeichnet mit einem Audio-Intro und Outro. Inhaltlich ist Peter Schneider frei seine Themen zu wählen, mal sind es allgemein bekannte Themen aus Gesellschaft, mal einfach Kleingedrucktes, das ihm ins Auge gestochen ist.

Leider hat Herr X wegen der Wahl des Themas – dem in Basel durch eine 75-jährige Frau auf offener Strasse getöteten Schülers – reflexartig umgeschaltet. Hätte Herr X die ganze Rubrik gehört, würde er ohne weiteres festgestellt haben, dass es sich hier keineswegs um ‘schwarzen Humor’ gehandelt hat und dass Peter Schneiders Kommentare nicht auf eine satirische ‘Verwertung’ des Mordes abzielen, sondern sich geradezu im Einklang mit den von Herrn X geäusserten Gedanken bewegen. Peter Schneider nimmt nämlich die doch zum Teil sehr fragwürdigen Schlagzeilen und Artikel zum Anlass, deren Inhalte so zuzuspitzen dass sie entlarvt werden als Unfug, dass sie also Herrn X in seiner Einschätzung bestätigen mit seinen ‘Fragezeichen zum Umgang der Öffentlichkeit und der Medien mit diesem Fall’.

Zur Illustration hier das erste Beispiel seiner Kritik medialer Gedankenlosigkeit:

Peter Schneider: <Wir bleiben bei der Floskel-Kritik>

Zitat Presse: <Eine 75jährige Rentnerin tötete einen Knaben>

Peter Schneider: <Das ist schlimm. Geht es noch schlimmer? Offenbar:>

Zitat Presse: <Mergim würde völlig sinnlos getötet>

Peter Schneider: <Hat jemand Vorschläge für sinnvolle Tötungen? Bitte an die Blickredaktion senden.>

Zusammenfassend möchten wir festhalten, dass die Wahl des Themas eben nicht eine Satire über den Tötungsfall war, sondern über das Wie der Berichterstattung dazu. Die präzise Sprachkritik von Peter Schneider zu den zitierten Medienberichten ist spitz und entlarvend, aber auch achtsam. Es ist aus unserer Sicht ein wichtiges Element der Satire bei Themen, die Menschen stark bewegen, die Berichterstattung und Leserbriefe in den Medien satirisch-kritisch so thematisieren zu können.

Natürlich verstehen wir, wenn jemand schon beim Stichwort ‘Basler Tötungsfall’ in einer Satirerubrik den Sender umschaltet. Natürlich respektieren wir das. Mit seiner Beanstandung liegt Herr X allerdings wirklich nicht richtig. Eigentlich erfüllt die Satire von Peter Schneider eben ganz genau das, was sich Herr X wünscht, nämlich achtsamen Umgang von Medien mit solch schlimmen Ereignissen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Peter Schneider hat in der langen Zeit, in der er auf seine ganz eigene, sprachkritische Art Satire macht, schon manch großartiges Stück abgeliefert. Aber dieser Beitrag ist ihm offensichtlich missglückt. Es ist schwierig, die Spekulationen der Medien über das Motiv eines Tötungsdelikts glossenartig auszuwerten. Rasch wird es peinlich oder pietätlos. Ich finde auch den Versuch der Redaktion, das Ganze als «Floskelkritik» zu rechtfertigen, etwas bemüht. Umgekehrt steht die Satire unter dem Schutz der Meinungsäußerungs- und Kunstfreiheit. Sie darf (fast) alles. Sie darf sich auf jeden Fall lustig machen über unbeholfene Journalistinnen und Journalisten. Aber sie sollte dies nicht auf Kosten von Schwachen und von Opfern tun. In diesem Fall ging es nicht ohne Schmerz für die Familie des Opfers. Und dies kann nicht das Anliegen der Satire sein. Ich kann daher Ihre Beanstandung unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann

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