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SRF-Sendung «Sternstunde Philosophie», «Afro¬topia - Afrikas Zukunft und Europas Vergangenheit» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 2. Januar 2020 haben Sie die Sendung «Sternstunde Philosophie», «Afrotopia - Afrikas Zukunft und Europas Vergangenheit» vom 17. Dezember 2019 beanstandet. Ihre Eingabe er­füllt die formalen Voraussetzungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

Diskriminierung und Reproduktion von Stereotypen anstatt Dekonstruktion

Missachtung der Grundrechte und Menschenwürde: Die Sendung enthält diskriminierende, rassisti­sche, sittlichkeitsgefährdende sowie resp. –verharmlosende Inhalte.

Sehr geehrte Ombudsstelle,

wir verfolgen die Sendung Sternstunde Philosophie immer mit großer Freude und haben uns beson­ders über den Titel „Afrotopia“ in Anlehnung an Felwine Sarr’s Buch) gefreut, da wir gespannt waren, wie die Sternstunde Philosophie mit diesem Thema (für das wir uns sehr interessieren) umgehen wird. Als wir uns die Sendung angesehen haben, waren wir jedoch tief bestürzt über die unsensible Art und Weise, wie das Thema „Afrikas Zukunft und Europas Vergangenheit“ angegangen wurde und wegen den zum Teil rassistischen und eurozentristischen Inhalten, die uns darin präsentiert wurden.

Hier einige Beispiele:

Minute 37:10

Es ist nicht zu fassen, dass der Moderator dieser Sendung Herr W. Eilenberger sich nicht anders zu helfen weiß, als gleich drei rassistische Originalzitate von europäischen Aufklärern, in denen das N-Wort ausgeschrieben ist, sowohl einzublenden als auch noch vorzulesen. In diesem Moment zeigt sich doch, dass er nicht realisiert, dass dies selbst wiederum eine höchst problematische Reproduktion von Rassismus darstellt. Sogar als der eingeladene Gast, Herr Aguigah, ihn darauf aufmerksam macht, fragt der Moderator die Gäste wie er das denn sonst hätte machen können, statt eine in dieser Situa­tion angebrachten Entschuldigung auszusprechen. Uns stört daran, dass auch nach dem Hinweis von Herrn Aguigah sich der Moderator nicht die Zeit nimmt, die Zitate nochmals in ihren gegenwärtigen Kontext einzubetten. Damit wird dem Publikum die Problematik der Verwendung des N- Wortes, die sich gerade im Studio offenbart hat, nicht verständlich aufgezeigt und die damit manifestierten rassis­tischen Strukturen werden nicht dekonstruiert. Diese Unterlassung ist unserer Meinung nach für eine Sendung von einem solchen Format wie der Sternstunde Philosophie gerade in diesem Themenbereich nicht akzeptabel. Das zeugt von einer ungenügend vorbereiteten Sendung und einer unreflektierten sowie unsensiblen Haltung und wir können nicht verstehen, wie die Regie diese Sendung letztendlich so ausstrahlt.

Minute 42:50

Wir fragen uns ebenfalls, warum in der Sendung ein Buch von Achille Mbembe aus Kamerun auf dem Tisch liegt, sein Foto im Hintergrund eingeblendet wird – aber kein Zitat oder der Inhalt des Buches für die Zuschauer*innen vermittelt wird. Mbembe kommt in der Sendung nicht zu Wort, was für uns im Diskurs der Rassismus-Problematik eine weitere Reproduktion von nicht-zur-Sprache-kommen-Las­sen der großen afrikanischen Stimmen darstellt. Die rassistischen großen Denker Europas werden zi­tiert, die Zuschauer*innen erhalten in die Worte des afrikanischen Denkers keinen Einblick, denn er bekommt keinen Platz auf der Leinwand und wird nicht vorgelesen. Wir hätten uns gewünscht, dass der Moderator nicht nur die europäischen Denker genau zitiert, sondern den großen Denker*innen im postkolonialen Diskurs zumindest die gleiche Plattform bietet.

Minute 49:19

So bringt der Gast Herr Aguigah Frantz Fanon, ein Vordenker und Mitbegründer der Entkolonialisie­rung, in die Debatte ein und der Moderator fragt, wer das sei. Für uns ist es in keinster Weise nach­vollziehbar, wie sich der Moderator mit postkolonialen Ansätzen beschäftigen konnte, ohne von Frantz Fanon gehört zu haben und diesen bei dem Thema der Sendung nicht einzubringen. Dieses Beispiel ist erneut ein Hinweis für die eurozentristische Perspektive, welche die gesamte Sendung prägt.

Weitere Irritation: Minute 32:53

Der Moderator Wolfram Eilenberger stellt den eingeladenen Gast Herrn René Aguigah als „Togo-Spe­zialisten“ vor und dieser antwortet darauf, kein solcher Spezialist zu sein. Wir fragen uns, in welcher Funktion und aufgrund welcher Recherche Herr Aguigah eingeladen wurde. Dies ist für uns nicht nachvollziehbar und erinnert uns leider an Situationen, in denen Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe als Expert*innen für einen ganzen Kontinent sprechen sollen.

Uns wird durch diese Sendung leider deutlich, wie wenig das rassismuskritische Denken in der Mitte unserer Gesellschaft oder vielen Medienschaffenden angekommen ist.

Wir bitten Sie darum, unsere Beanstandung zu prüfen und erwarten eine Reaktion des SRF-Redakti­onsteams. Wir erwarten zudem, dass diese Sendung entsprechend angepaßt wird und eine Entschuldi­gung für die oben genannten Punkte öffentlich vorgebracht wird.

B. Ihre Beanstandung wurde der zuständigen Redaktion zur Stellungnahme vorgelegt. Frau Judith Hardegger, Redaktionsleiterin SRF Sternstunden, schrieb:

Uns liegt die Beanstandung von Y und X zur Sendung

«Sternstunde Philosophie» vom 17. Dezember 2019 mit dem Titel «Afrotopia – Afrikas Zukunft und Europas Vergangenheit» vor. Gerne teile ich Ihnen hiermit unsere Stellungnahmen mit.

Der Moderator der beanstandeten Sendung, Dr. Wolfram Eilenberger, äussert sich wie folgt zu den Vorwürfen:

Sehr geehrte Damen und Herren,

gerne nehme ich die Gelegenheit wahr, mich zu den vorgebrachten Kritikpunkten detailliert zu äußern. Es ist an sich erfreulich zu sehen, mit wie viel Interesse, Wachheit und theoretischem informierten Be­wusstsein die Sendungen der „Sternstunde Philosophie“ vom Publikum gesehen und aktiv begleitet werden. Dass dabei nicht jede individuelle Erwartung und erhoffte Akzentsetzung erfüllt werden kann, liegt im Wesen der Sache, also im Wesen generalisierter Kommunikationsmedien als Massemedien.

Nun zu den von Frau Y und Frau X in deren Beanstandung konkret vorgebrachten Kri­tikpunkten an der Gestaltung und Durchführung der Sternstunde Philosophie „Afrotopia – Afrikas Zu­kunft und Europas Vergangenheit“, für die ich als Moderator verantwortlich zeichne.

  1. (32.53 min) Angemahnte Vorstellung von Herrn Aguigah als „Togo-Spezialisten“

Der hier geäußerte Kritikpunkt entspricht schlicht nicht den Tatsachen. Herr Aguigah wurde vom Moderator wie auch durch Einblendungen während der Sendung in keiner Weise direkt als „Togo-Spezialist“ angesprochen, vorgestellt oder präsentiert, sondern als „deutscher Kulturjournalist“ mit „afrikanischen Wurzeln“, dessen Vater aus Togo stammt. Zudem wird gleich zu Beginn der Sen­dung explizit angefragt, inwieweit Herr Aguigah sich selbst als „Afrikaner“ verstehe und auch, in­wieweit bereits die metaphorische Formulierung „afrikanische Wurzeln“ in seinem Fall kritisch zu hinterfragen wäre.

In einem ausführlichen telefonischen Vorgespräch wurde Herr Aguigah ausdrücklich gefragt, ob er sich als jemand, der in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehrmals in Togo war, zur dortigen politischen wie auch lebensweltlichen Lage äußern wolle, was dieser im Prinzip bejahte und um besagte Minute 32.53 herum während der Sendung auch sehr differenziert und kenntnisreich tut.

Insbesondere in den letzten Jahren hat sich Herr Aguigah im deutschsprachigen Raum als eine der profiliertesten publizistischen Stimmen zum Thema „Restitution/Rückgabe geraubter Kulturgü­ter“ etabliert. Ein zentraler inhaltlicher Aspekt der betreffenden Sendung, der seine Einladung we­sentlich motivierte.

  1. Minute 49.19: angeblich fehlende Kenntnisse des Moderators bezüglich der Bedeu­tung und Existenz von Frantz Fanon

Auch dieser Kritikpunkt scheint auf einer eigenwilligen Interpretation zu beruhen, die überdies we­sentliche funktionale Anforderungen der Moderatorenrolle außer Acht lässt. Natürlich weiß und wusste der Moderator, wer Frantz Fanon ist und welche Bedeutung seinem Werk im Rahmen des gegebenen Kontextes zugesprochen werden darf. In seiner Rolle als Moderator ist für ihn aber die entscheidende Erwägung, ob der Name „Frantz Fanon“ auch sämtlichen ZuschauerInnen der Sternstunde etwas sagen mag – wovon im konkreten Fall kaum ausgegangen werden konnte. In den Schulungen und Feedback-Gesprächen werden die ModeratorInnen der Sternstunde immer wieder explizit ermuntert, bei Nennung gewisser Fachbegriffe oder FachautorInnen, gleichsam als Anwalt des Publikums, klärend nachzufragen. So geschah es auch hier.

  1. Minute 42.50: Einblendung von Achille Mbembe sowie dessen Werk „Die schwarze Vernunft“ – ohne explizit aus diesem Werk zu zitieren

Zunächst ist hier anzumerken, dass die Redaktion der Sternstunde Philosophie seit Jahren und wiederholt versucht hat, Herrn Prof. Dr. Mbembe als Gast zu gewinnen – bisher leider ohne Erfolg. Es wird weiter versucht werden. Ferner wurden im Rahmen der Sendung insgesamt zwei Bücher und Porträts afrikanischer Vordenker eingeblendet, neben dem Werk von Herrn Mbembe („Kritik der schwarzen Vernunft“) auch das titelspendende Werk von Felwine Sarr („Afrotopia“). Aus dem Buch von Herrn Sarr nun wurde gleich in einer der ersten Fragen der Sendung ausführlich zitiert. Insofern entspricht der von den Beanstanderinnen angemahnte Kritikpunkt „dass der Moderator ... nur die europäischen Denker genau zitiert“, nicht dem faktischen Sendungsverlauf.

Ferner ist zu bedenken, dass Diktion und Stil von Herrn Mbembes hervorragendem und im Diskurs einflussreichen Werk durchgängig fachterminologisch stark aufgeladen und syntaktisch äußerst komplex angelegt ist – und sich somit weniger für direkte, ausführliche Zitateinblendungen eignet. So wie es beispielsweise auch nicht leicht wäre, dem Publikum längere Zitatpassagen aus Jacques Derridas „Grammatologie“ vorzulegen. Das sind im Einzelfall komplexe redaktionelle Abwägungs­entscheidungen, bei denen es viele Aspekte und Intentionen ins Verhältnis zu setzen gilt.

Wesentlich war in der Gestaltung des Konzepts der Sendung, zentrale Gedanken des Werkes von Herrn Mbembe greifbar werden zu lassen, zu denen insbesondere auch die Markierung dient, die Etablierung des Diskurses der „europäischen Aufklärung“ sei mit der Etablierung des modernen „rassistischen Diskurses“ der europäischen Kolonialmächte eng verzahnt, wenn nicht gleichur­sprünglich. Das Bestreben, genau diesen Punkt möglichst greifbar werden zu lassen, motivierte auch die Auswahl der in Ton und Inhalt in der Tat klar rassistischen Originalzitate maßgeblicher europäischer Philosophen des 18. und 19. Jahrhunderts (Kant, Voltaire, Hegel). Es sind Zitate, die kaum bekannt und lang verdrängt sind, in ihrer Wirkung jedoch wichtig und machtvoll bleiben – und insofern notwendiger Teil des Bemühens sein müssen, den rassistischen Diskurs der europäi­schen Moderne zu dekonstruieren (wie von den Beanstanderinnen ja ausdrücklich angemahnt und erwartet). Was direkt auf Punkt d) führt.

d) Min. 37.10, Originalzitate von europäischen Aufklärern (Kant, Voltaire, Hegel)

Vom Moderator wie auch der Redaktion klar als solche markiert, also als historische Zitate von maßgeblichen Denkern der Aufklärung, wurden in der Tat drei eindrückliche und in ihrer begriffli­chen Deutlichkeit auch abstoßende Beispiele für den expliziten Rassismus der europäischen Auf­klärung vorgelesen. Und dies, wollte man es theoretisch formulieren, mit explizit dekonstruktivisti­scher Absicht. Schließlich ist dem Begriff der Dekonstruktion der reaktive Charakter der Denkbe­wegung bereits eingeschrieben (De-Konstruktion). Was nun gilt es im gegebenen Kontext zu de­konstruieren? Auf den Spuren von Mbembe eben den konstitutiven Rassismus der europäischen Aufklärung.

Es handelt sich hierbei um einen Rassismus, der öffentlich lange verdrängt, negiert oder vertuscht wurde. Der aber, wie die ausgewählten Zitate überdeutlich werden lassen, völlig klar und umfas­send war. Zu wenige Menschen wissen von der Existenz dieser Äußerungen aus der Feder von Kant, Voltaire oder Hegel und deren philosophiegeschichtlicher Bedeutung.

Aus Sicht des Moderators handelt es sich hier also nicht um eine unreflektierte „Reproduktion von Rassismus“, sondern vielmehr um eine durch und durch reflektierte, anmahnende Markierung ei­nes epochen– und kulturprägenden Rassismus der westlichen Moderne anhand dreier Zitate von Meisterdenkern der europäischen Aufklärung bzw. des deutschen Idealismus.

In diesen Zitaten kommt in der Tat auch das Wort „Neger“ (N-Wort) vor. Es ist nun eine philolo­gisch wie kulturtheoretisch offene und gerade derzeit intensiv diskutierte Frage, inwieweit es phi­lologisch statthaft, wünschenswert oder gegebenenfalls auch angezeigt ist, historische Passagen, die problematisches oder auch klar rassistisches Vokabular enthalten, wie bei den infrage stehen­den Zitaten der Fall, im Nachhinein zu modifizieren.

Da kein sprachliches Zeichen an sich etwas bedeutet, und jedes sprachliche Zeichen, das etwas bedeutet, in seiner Bedeutung durch die Gebrauchsgeschichte eben dieses Zeichens maßgeblich mitbestimmt ist, kann begründet die Ansicht vertreten werden, dass gerade das Bestreben, die verdrängte rassistische Geschichte des europäischen Denkens zu dekonstruieren, nicht darauf ver­zichten sollte, ja nicht darauf verzichten kann, für die Bedeutung eines Wortes exemplarische und besonders prägende Äußerungsbeispiele im Original zur Kenntnis zu bringen. Dies war, ist und bleibt, nach reiflicher Überlegung, jedenfalls die Ansicht des Moderators, der, was hier vielleicht relevant sein mag, seine Dissertation über einen sprachphilosophischen Autor und einen Themen­bereich verfasst hat, für den genau diese Fragestellungen zentral sind (W. Eilenberger, Das Wer­den des Menschen im Wort – Eine Studie zur Kulturphilosophie M.M. Bachtins, Chronos, 2009).

Insofern ist die in der Sendung entstandene Situation, in der Herr Aguigah ein Unwohlsein hin­sichtlich der nicht-modifizierten Verlesung der Zitate formuliert, ein wichtiger und potentiell emi­nent edukativer Moment, in dem sich eben jene Fragen konzentrieren und manifestieren, um de­ren theoretisch informierte Behandlung es in der Erschließung „der europäischen Vergangen­heit“ als rassistischer Vergangenheit gehen muss. In diesem Sinne wurde von Seiten des Modera­tors auch mit Herrn Aguigahs Intervention umgegangen. Verständnisvoll, respektvoll, nachfra­gend.

Dass es im weiteren Verlauf – entgegen des schriftlich vorliegenden Konzepts zur Sendung – dann nicht gelang, dieses theoretische Spannungsfeld (Kritik der schwarzen/weißen Vernunft) detaillier­ter auszuleuchten, ist wahr und bleibt den Dynamiken geschuldet, die jede Live-Sendung und je­des Gespräch, das diesen Namen verdient, wesensgemäß in sich tragen. Nicht alles gelingt und läuft so, wie man es sich vorgenommen und gar ausdrücklich vorher gemeinsam besprochen hat.

Von einer „unreflektierten Reproduktion“ von rassistischen Diskursen im gegebenen Kontext kann indes ebenso wenig die Rede sein wie von einer „ungenügenden Vorbereitung“ – auch nicht in konkretem Bezug auf den Sendungsablauf. Vielmehr wurde in dem ausführlichen telefonischen Vorgespräch mit Herrn Aguigah explizit auch das Themenfeld „Mbembe/Kritik der schwarzen Ver­nunft“ als wesentliche Positionsstelle der Sendung besprochen; wie Herr Aguigah auch in einem Vorgespräch unmittelbar vor der Sendung darüber in Kenntnis gesetzt wurde, dass der Moderator drei Zitate klassischer Aufklärer mit rassistischem Inhalt vorlesen würde. Diese nachfragende An­kündigung fand im Vorfeld der Sendung Herrn Aguigahs Zustimmung.

So weit zu den angemahnten Punkten.

Nochmals danke ich für die erhaltene Rückmeldung ebenso wie für die Möglichkeit, sachgetragen auf diese erwidern zu können. Kritik ist eine wesentliche Bedingung, die Sendung auch in Zukunft in der Weise und auf dem Niveau gestalten zu können, das von den ZuschauerInnen mit gutem Recht erwar­tet werden darf.

Christine Schulthess, Produzentin dieser Sendung, ergänzt zum Vorwurf der Reproduktion von Rassis­mus Folgendes:

Der Vorwurf lautet, dass das Einblenden und Vorlesen der Zitate mit dem Wort «Neger» eine höchst problematische Reproduktion von Rassismus darstellen würde. Und dass sich der Moderator nicht die Zeit nehmen würde, die Zitate in ihren gegenwärtigen Kontext einzubetten.

Durch die Anmoderation dieser drei Zitate geschieht aber genau diese Einbettung. Der Moderator spricht von einer bestimmten geistigen Voraussetzung dieser Zeit, über die man reden müsse. Also auch darüber, welchen Beitrag die Philosophen mit ihrer Art und Weise über die Schwarzen Afrikas zu schreiben an die Diskriminierung geleistet hatten. Es handelt sich hier also um eine historische Aufar­beitung mit Originaltexten bzw. -zitaten. Damit wurde in keiner Weise der Selbstzweck verfolgt, eine rein rassistische Äusserung zu platzieren und damit einen Gast oder die Zuschauer verletzen zu wol­len. Es wurde keine Person im Fernsehen in erheblicher Weise blossgestellt oder lächerlich gemacht. Der programmrechtliche Schutz der Menschenwürde ist aus unserer Sicht gewahrt.

Man hätte das N-Wort mit Sternchen versehen können, wie es der Gast René Aguigah ja daraufhin im Gespräch auch vorschlägt. Aber dann hätte man dem Zuschauer trotzdem aufzeigen müssen, was hin­ter N* steckt, um die Zitate überhaupt verstehen zu können.

Durch die zeitliche Angabe der Zitate (Quellenangaben) erhielten diese einen zeitlichen Kontext, wur­den in Beziehung gesetzt mit der damaligen Geistesauffassung und Wertung, die heute nicht mehr gilt, welche aber die in der Sendung genannten Auswirkungen bis in die heutige Zeit haben. Diesen Wertewandel hat der Moderator explizit angesprochen: «Das sind ja sehr harte, auch sehr schmerz­hafte Zitate, die aber doch auch etwas anzeigen: Dass die Phase der Aufklärung und der Vernunftbe­wegung innerhalb von Europa immer gleich ursprünglich war mit einer Abwertung Afrikas und mit ei­ner rassistischen Abwertung von schwarzen Menschen.» (Min 38:30)

Zum Vorwurf, die grossen afrikanischen Denker würden keine Plattform erhalten, ergänzt Christine Schulthess:

Die Sternstunde-Redaktion bemüht sich seit langem, die bekannten afrikanischen Stimmen wie jene von Achille Mbembe oder Felwine Sarr zu Wort kommen zu lassen. Beide waren schon früher und jetzt auch für die Sendung «Afrotopia» explizit eingeladen worden. Leider wurden diese Einladungen bis­lang nicht angenommen.

Diesen Erklärungen von Wolfram Eilenberger und Christine Schulthess habe ich nichts hinzuzufügen. Sie machen deutlich, dass von Diskriminierung und Reproduktion von Stereotypen anstatt Dekonstruk­tion; Missachtung der Grundrechte und Menschenwürde; diskriminierenden, rassistischen, sittlichkeits­gefährdenden sowie resp. –verharmlosenden Inhalten – so die Vorwürfe der Beanstanderinnen - keine Rede sein kann. Im Gegenteil, es ging in der Sendung unter anderem gerade darum aufzuzeigen, wie verankert rassistisches Denken auch in der abendländischen Philosophie der Aufklärung war. Dieser Sachverhalt wurde schmerzlich in Erinnerung gerufen und kritisiert und hat daher mit einer Reproduk­tion von Stereotypen nichts zu tun.

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Die «Sternstunde Philosophie» widmet sich dem vertieften und kritischen Ideenaustausch. Dabei geht die Sendung den bren­nenden Fragen unserer Zeit auf den Grund und schlägt den grossen Bogen von der gesellschaftspoliti­schen Aktualität zu Grundfragen der Philosophie: Wer ist wofür verantwortlich, worin besteht die menschliche Freiheit, was bestimmt unseren Lebenssinn? In die rund einstündige Sendung werden Persönlichkeiten eingeladen aus Wissenschaft, Kultur, Politik und Wirtschaft, also Menschen, die das Publikum zum Denken anregen, unser Zeitgeschehen reflektieren und einordnen.[1] So beschreibt sich «Sternstunde Philosophie» im Sendungsportrait.

In der von Ihnen monierten Sendung diskutierten Dr. Wolfram Eilenberger mit der deutsch-kameruni­schen Unternehmerin und Magazingründerin Veye Tatah (Africa Positive) sowie dem Kulturjournalisten René Aguigah mit togolesischen Wurzeln über Ziele und Voraussetzungen eines neuen, nicht zuletzt auch philosophisch selbstbewussten afrikanischen Wegs. Herr Dr. Eilenberger hat Ihnen äusserst aus­führlich geantwortet und ich pflichte ihm in jedem einzelnen Punkt vollumfänglich zu. Daher gehe ich nur noch kurz auf Ihr Hauptanliegen ein, nämlich auf den Vorwurf, dass rassistische Inhalte präsentiert wurden.

So monieren Sie die drei vom Moderator vorgelesenen Originalzitate europäischer Aufklärer (Kant, Voltaire, Hegel). Die historischen Zitate wurden als solche erkenntlich gemacht, der Moderator hat sie kulturhistorisch eingeordnet und die anschliessende Diskussion mit Herrn Aguigahs war von Res­pekt und Verständnis geprägt. Auch Frau Tatah konnte sich zu den harten Zitaten ausgiebig äussern. Und genau darum geht es in der Diskussionssendung «Sternstunde Philosophie»: Die Gesprächs­runde diskutiert auf hohem Niveau verschiedenste Fakten, Standpunkte, Meinungen und Ansichten und pflegt einen vertieften sowie kritischen Ideenaustausch. Der Moderator hat in der Sendung klar geäussert, weshalb er das N*-Wort in den Zitaten nicht abgeändert hat und in seiner Stellungnahme erklärt er dies ausführlich. Für das Publikum, das sich nicht im Detail über die europäischen Aufklärer auskennt und allenfalls wenig weiss, wie rassistisch sich diese gegenüber fremden Kulturen und Men­schen verhielten, war gerade diese Sequenz äusserst wichtig. In ihr wurde deutlich gezeigt – Herr Dr. Eilenberger schreibt in seiner Stellungnahme «ein wichtiger und potentiell eminent edukativer Mo­ment» – wo bezüglich Afrikas und seiner Bevölkerung auch heute im europäischen Verständnis Denk­fehler und -blockaden bestehen. Insofern war diese «Sternstunde Philosophie» selbst ein Stück weit aufklärerisch.

Ich habe mir die Sendung ganz genau angesehen und kann darin weder Diskriminierung oder Rassismus noch Reproduktion von Stereotypen sehen. Das Publikum wurde zu keinem Zeit­punkt manipuliert, das Gebot der Sach­gerechtigkeit wurde eingehalten.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen kann.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernseh­geset­zes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfü­gung.

Mit freundlichen Grüssen,
Manfred Pfiffner, stv. Ombudsmann


[1] https://www.srf.ch/sendungen/sternstunde-philosophie/sendungsportraet

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