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Abstimmungsberichterstattung von «Schweiz aktuell» und «Regionaljournal Zürich Schaffhausen» beanstandet

6329
Mit Ihrer E-Mail vom 11. Februar 2020 beanstandeten Sie die Sendungen «Schweiz aktuell» (Fernsehen SRF) [1] und «Regionaljournal Zürich Schaffhausen» (Radio SRF)[2] vom 9. Februar 2020 wegen einseitiger Abstimmungsberichterstattung. Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«In meiner Funktion als Co-Präsident des bürgerlichen Komitees gegen die Rosengartenvorlagen habe ich am Sonntag, 9.2.20 im Pressezentrum Walche den Vertretern des Radios und des Fernsehens (Herr Matthias Hosch/Osch? und Frau K....) und an den Arbeitsdesks die Medienmitteilungen unseres Komitees überreicht. Ich persönlich (Kantonsrat, Bezirk Meilen) und das Komitee wurden gezielt ignoriert und in den Beiträgen des Regionaljournals und von Schweiz Aktuell nicht einmal erwähnt, obwohl wir massgeblich zum Nein des Souveräns beigetragen haben und dies von der Seite der linken Gegner auch so anerkannt wird. Es wurde nur über die Position der Gegner der Linken berichtet (SP, Grüne, Juso und AL) - wir wurden von Ihren Leuten ostentativ totgeschwiegen! Dies ist eines öffentlichen Senders nicht würdig und widerspricht dem Sachgerechtigkeitsgebot, Transparenzgebot und dem Vielfaltsgebot! Ich bitte Sie, die entsprechenden Redaktoren und Sendungsverantwortlichen zu einer Stellungnahme zu bewegen. Dieses Verhalten entspricht einem Staatsfernsehen aber nicht den Grundsätzen eines öffentlichen Senders in einem demokratischen Land!»

B. Die zuständigen Redaktionen erhielten Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für «Schweiz aktuell» äußerte sich die Redaktionsleiterin, Frau Sylvia Zwygart:

«Mit Mail vom 11. Februar 2020 hat Herr X eine Beanstandung gegen die Berichterstattung zur Abstimmung über die Rosengartenvorlage eingereicht. Die Beanstandung richtet sich gegen die Sendungen des Regionaljournals Zürich von Radio SRF und gegen die Sendung Schweiz aktuell von Fernsehen SRF.

Ich nehme im Folgenden zur Kritik an Schweiz aktuell Stellung. Die Verantwortlichen von Radio SRF nehmen separat Stellung.

Schweiz aktuell am Abstimmungssonntag

Die Sendung Schweiz aktuell Extra informiert in gebündelter Form über die wichtigsten kantonalen und kommunalen Wahlen und Abstimmungen in der ganzen Schweiz, für die Zuschauerinnen und Zuschauer in der ganzen Schweiz. Sie muss sich bei diesem Auftrag und der knappen Sendezeit auf die Hauptkonfliktlinien der einzelnen Vorlagen konzentrieren sich und auf wenige auftretende ‘Köpfe’ abstützen. Die Berichterstattung zur Rosengartenvorlage folgt diesem Muster: Nach einem kurzen emotionalen Einstieg im Lokal, wo sich die siegreichen Gegner am Abstimmungstag zusammenfanden, folgt die Reaktionen der beiden Hauptprotagonisten Gaby Petri (Geschäftsführerin VCS und Grüne) und Regierungsrätin Carmen Walker Späh (Volkswirtschaftsdirektorin und FDP). Direkt anschliessend folgt die Analyse durch Zürichkorrespondentin Simone Herrmann. Sie begründet, weshalb die Vorlage auch ausserhalb der Stadt Zürich, auf der bürgerlichen Landschaft also, Schiffbruch erlitten hat. Sie erwähnt die sehr hohen Kosten für wenige Kilometer Strasse. Die Korrespondentin nimmt damit die Kritik von bürgerlichen Politikern auf und baut diese Kritik der bürgerlichen Politiker in ihre Analyse ein.

Ähnlich analysiert Simone Herrmann im Gespräch mit Hauptmoderator Urs Leuthard die ersten Hochrechnungen des Kantons Zürich (ab 19:48 Vorschau-Bericht und ab 23.:25 live-Gespräch).[3]

Sie verweist darauf, dass es auch auf der linken Seite Befürworter gab, wie es auf der rechten Seite auch Gegner gab.

Position der SVP

Es ist richtig, SVP-Kantonsrat X hat sich gegen die Rosengartenvorlage ausgesprochen. Allerdings vertritt er in diesem Zusammenhang innerhalb der SVP eine Minderheitsposition. Im Kantonsrat, dem Parlament des Kantons Zürich, stimmte am 25. März 2019 die SVP-Fraktion der Rosengartenvorlage überaus deutlich zu; mit 52 Ja zu 1 Nein. Die SVP-Delegierten fassten die Ja-Parole mit 152 zu 70 Stimmen, also mit mehr als einer Zwei-Drittels-Mehrheit. Ein Blick in die Homepage der Befürworter der Rosengartenvorlage bestätigt diese klare Positionierung der SVP.[4] Unter dem Titel <Diese Parteien und Organisationen empfehlen 2 x JA zum Rosengartenprojekt> sind sowohl die SVP des Kantons Zürich wie auch die Junge SVP des Kantons Zürich aufgeführt. So sind neben vielen aktuellen und ehemaligen Kantons- und Gemeindeparlamentariern aus der SVP auch die beiden SVP-Nationalräte Mauro Tuena und Bruno Walliser Mitglieder des befürwortenden Abstimmungskomitees.

Referendum

Am 25. März 2019 unmittelbar nach der Annahme der Vorlage im Kantonsparlament hatte die VCS-Sektion Zürich das Referendum gegen die Vorlage angekündigt und die nötigen Unterschriften zu sammeln.[5] Der VCS war auch federführend im Abstimmungskomitee gegen das Projekt. Es war zwingend, den VCS als Gegner der Vorlage zu Wort kommen zu lassen.

Fazit

Die Sendung Schweiz aktuell am Abstimmungssonntag hat konsequent auf die Hauptprotagonisten des vorangegangenen Abstimmungskampfes fokussiert – auf die zuständige Regierungsrätin Carmen Walker Späh als Vertreterin der Regierung und der Mehrheit des Parlamentes, und auf Gabi Petri vom VCS, der das Referendum ergriffen hatte. Die kritische Haltung des Komitees von X zum Projekt, nämlich die Kostenfrage, wurde im live-Gespräch angesprochen. Die Berichterstattung war sachgerecht und verständlich. Ich bitte Sie, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.»

Für das «Regionaljournal Zürich Schaffhausen» antwortete Herr Michael Bolliger, stellvertretender Chefredaktor von Radio SRF:

«Ich danke für die Möglichkeit, zur Beanstandung 6329 Stellung nehmen zu können. Ich tue das als stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF und Bereichsleiter in der Chefredaktion für die Regionaljournal-Redaktionen. Der Beanstander kritisiert, die Berichterstattung von Radio und Fernsehen SRF (konkret ‘Regionaljournal Zürich-Schaffhausen’ und ‘Schweiz aktuell’) hätten die Position seines Komitees am Abstimmungssonntag nicht beachtet und damit das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt. Ich nehme hier für die Radioseite Stellung.

Nach meiner Beurteilung hat unsere Berichterstattung das Sachgerechtigkeitsgebot in keiner Weise verletzt.

Im Vorfeld hatten sich die im Kantonsrat vertretenen Parteien einerseits positioniert: SVP, FDP, EVP und EDU für die Vorlage, SP, Grüne, GLP, CVP und AL dagegen.[6] Andererseits gab es in verschiedenen Kreisen kontroverse Stimmen. Das Komitee des Beanstanders war nicht die einzige Gruppierung, die sich gegen die offizielle Mehrheitsmeinung in den eigenen Reihen stellte. So vertrat etwa die städtische CVP, gegen die Haltung der Kantonal-Partei, die Ja-Parole, der frühere Stadtpräsident Josef Estermann war gegen die Vorlagen, andere Altstadträte stellten sich dahinter etc. In dieser Gemengelage am Abstimmungssonntag alle Stimmen in ihrer Unterschiedlichkeit abzubilden, wäre wohl für das Publikum verwirrlich geworden und hätte den Rahmen der Berichterstattung gesprengt.

Die Regionaljournalredaktion hat sich stattdessen an den offiziellen Parteiparolen orientiert und die Positionen klar ausgelegt, respektive eingeordnet. So war bereits während den Einschaltungen am Nachmittag (ab 12:00) die Rede davon, dass die bürgerlichen Parteien offensichtlich nicht einmal ihre eigene Basis vollständig erreicht hätten mit ihrer Parole.

In der Abendsendung (17:30) waren die Wortanteile zwischen Befürwortern und Gegnern der Vorlage sachgerecht verteilt. So kamen Gaby Petry, VCS-Präsidentin und Gegnerin der Vorlage zu Wort, ebenso wie Carmen Walker-Späh, FDP-Regierungsrätin und Befürworterin. Dass auch Zürichs Stadtpräsidentin Corinne Mauch im Interview zu hören war, scheint mir selbstverständlich, auch wenn Corinne Mauch der SP angehört. Hier war jedoch nicht eine (weitere) Stimme von links gefragt, sondern die Stimme der Stadtregierung, die erstens eine Niederlage erlitten hatte und zweitens nach der Abstimmung ein jahrzehntealtes Verkehrsproblem in der Stadt weiterhin ungelöst sieht.

Es stimmt, dass wir das Komitee des Beanstanders (das, wenn ich das auf der Webseite richtig sehe, aus zwei Personen bestand[7]) in der Berichterstattung nicht explizit erwähnten, obwohl es mit seinen Argumenten offensichtlich auf der Gewinnerseite des Abstimmungs-sonntags stand. Solange wir aber grundsätzlich beide Seiten einer Abstimmung auch in der Analyse nach dem erfolgten Urnengang gleichwertig behandeln, ist meiner Meinung nach der sachgerechten Darstellung Genüge getan, auch wenn nicht jedes einzelne Komitee separat erwähnt wurde.

Ich bitte Sie deshalb, die Beanstandung nicht zu unterstützen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendungen. Ich habe früher viele Wahl- und Abstimmungskämpfe bestritten, und deshalb kann ich Ihnen gut nachfühlen, wie Ihnen am Abstimmungssonntag zumute war: Einerseits kämpften Sie und siegten gar, anderseits wurden Sie kaum zur Kenntnis genommen. Aber ich glaube, dass Sie sich damit abfinden müssen, dass die Komitees der Minderheiten und der Dissidenten, auch wenn Sie siegen, in den Medien kaum Resonanz finden können, denn die Medien müssen rigide auswählen.

Und unter diesem Gesichtspunkt muss ich sagen: Radio und Fernsehen SRF haben alles richtig gemacht: Das Fernsehen ließ in «Schweiz aktuell» Barbara Spirig, die Sprecherin der «Quartiere gegen Rosengartentunnel» zu Wort kommen, was logisch ist, weil es ja just um das Schicksal von Wipkingen und angrenzender Stadtteile ging. Ferner äußerte sich Gabi Peter vom VCS als Hauptauslöserin des Referendums und Regierungsrätin Carmen Walter-Späh als Hauptprotagonistin der Vorlage. So blieb kein Platz mehr für Andere. Ähnlich im «Regionaljournal»: Da standen sich die Siegerin Gabi Peter vom VCS und die Verliererin Ruth Enzler vom ACS gegenüber, ferner standen Regierungsrätin Carmen Walter-Späh für den Kanton und Stadtpräsidentin Corinne Mauch für die Stadt Zürich in Interviews Red und Antwort. Auch hier blieb kein Platz für Andere. Nimmt man jene, die zu Wort kamen, so waren die verschiedenen Lager und Verantwortlichkeiten angemessen repräsentiert. Dem Sachgerechtigkeitsgebot und dem Vielfaltsgebot war Genüge getan. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann


[1] https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/die-wichtigsten-kantonalen-resultate-in-schweiz-aktuell-extra?id=07516b29-92bd-49e2-ac1a-42a928565da7

[2] https://www.srf.ch/sendungen/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/stimmvolk-stoppt-milliardentunnel

[3] https://www.srf.ch/play/tv/abstimmungen/video/abstimmungsstudio-vom-9--februar-2020-mit-urs-leuthard?id=fe946276-7fbc-4618-893f-c6b0ff70a934

[4] https://www.chance-rosengarten.ch/

[5] https://www.vcs-zh.ch/aktuell/medienmitteilungen/detail/artikel/vcs-ergreift-referendum-gegen-rosengartenprojekt/

[6] https://www.srf.ch/news/schweiz/abstimmungen-oberrubrik/abstimmungen/abstimmung-zuercher-rosengarten-dringende-entlastung-oder-ueberteuerter-milliardenbau

[7] https://milliarden-verlochen-nein.ch/komitee/

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