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Faktencheck – «Je tiefer ich in die Materie eintauche, desto faszinierter bin ich»

Das Faktencheck-Netzwerk von SRF hilft bei der Verifikation von Texten, Audios, Videos und Fotos. Die Gruppe besteht aus Superuserinnen und -usern aus den SRF-Redaktionen Video, Audio und News Digital sowie von Recherche und Archive (R+A). Dieses Mal mit Andrée Getzmann, App-Produzentin News Digital und Co-Leiterin Netzwerk Faktencheck.

Ich habe als Redaktorin und App-Produzentin bei News Digital die spannende Aufgabe erhalten, gemeinsam mit Stefanie Strahm von R+A das Netzwerk Faktencheck zu leiten – aus der Newsroom-Perspektive. Und je tiefer ich in die Materie eintauche, desto faszinierter bin ich. Beispiel gefällig? Am frühen Morgen des 8. Juli erreichten uns im Newsroom über Agenturen erste Meldungen, dass Japans Ex-Premier Shinzo Abe Opfer eines Attentats auf offener Strasse geworden sei.

Im Dienst waren zu dem Zeitpunkt zu Beginn noch ein Nachtredaktor, ab 5.30 Uhr der Tagesverantwortliche von News Digital sowie etwas später zwei News-Redaktorinnen, eine davon war ich. Die Nachricht wurde kurz nach 5.30 Uhr auf srf.ch/news und in der App publiziert und als Push-Nachricht versendet. Es dauerte nicht lange, und es kursierten auch erste Videos im Netz – auch auf Schweizer News-Portalen –, die, wie sich später herausstellen sollte, die tödlichen Schüsse auf Shinzo Abe zeigten. Mit einiger Suche konnte ich im Netz zwei Videos aus unterschiedlichen Perspektiven finden, allerdings war die Quellenlage unklar.

Nach einem Plausibilitätscheck kamen wir zum Schluss, dass die Aufnahmen echt sind: Das abgebildete Ereignis stimmte mit den Beschreibungen durch die Nachrichtenagenturen überein. Und: Eine der Aufnahmen war zwar nicht scharf, im Groben liess sich aber sagen, dass es sich bei der anvisierten Person aufgrund der persönlichen Merkmale wie Anzug, Haare, Gesicht durchaus um Shinzo Abe handeln konnte. Auch die Umgebung schien plausibel, genau wie das Wetter. Dass es mehr als ein Video von dem Attentat gab, bestärkte uns zudem in dem Beschluss, eines der Videos auch bei SRF zu zeigen.

Hinzu kamen Überlegungen, wie mit Gewaltszenen im Allgemeinen umzugehen war: Das Video zeigt zwar den Moment der Tat, die Kamera schwenkt aber weg, als Abe getroffen wird. Allenfalls verstörend wirken können die beiden Schüsse, die im Video zu hören sind. Da Shinzo Abe eine bedeutsame und weltweit angesehene Persönlichkeit ist, war zudem das Kriterium der Relevanz erfüllt, wie es die publizistischen Leitlinien vorsehen. «Das Video seiner Ermordung hat deshalb nicht einen reinen Nachrichtenwert, sondern ebenfalls einen dokumentarischen Charakter», hielt Sabina Hübner, Chefin vom Dienst, im Newsroom-Bulletin vom 8. Juli fest. Die Entscheidung, das Video zu zeigen, war daher richtig.

Vertiefte Faktenchecks, wie sie die Kolleginnen und Kollegen von R+A und die Superuserinnen und -user aus den Redaktionen im Netzwerk Faktencheck machen, gehen noch weiter: Mit einer Bildrückwärtssuche hätte sich rekonstruieren lassen, wann, wo und in welchem Zusammenhang das Videomaterial erstmals publiziert wurde. Zudem hätte man den Urheber respektive den Uploader des Videomaterials überprüfen können und somit Hinweise auf den Standort beziehen können. Und zuletzt hätte man über Geolokations-Tools herausfinden können, wo und wann das Videomaterial erstellt wurde, dies etwa mithilfe von Google Maps. Wie gesagt, ich bin fasziniert. Und ich freue mich sehr auf viele weitere Faktenchecks, die mithelfen, dass bei uns keine Fake News verbreitet werden.


Text: Andrée Getzmann

Bild: zVg

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