SRF-TV-Chefredaktor Tristan Brenn: «Trump hier, Trump dort, Trump überall»

Tristan Brenn, Chefredaktor TV SRF
Tristan Brenn, Chefredaktor TV SRF

Der atemberaubende Aufstieg des Donald Trump vom schrillen Outcast zum aussichtsreichsten republikanischen Kandidaten im Rennen um die US-Präsidentschaft ist auch eine Mediengeschichte – und das in verschiedener Hinsicht. Seine Gedanken dazu schreibt SRF-TV-Chefredaktor Tristan Brenn im Editorial zum aktuellen Newsletter der Chefredaktion.

«Geradezu Spass macht es, jene Storys nachzulesen, die im Juni vergangenen Jahres erschienen, als Trump seine Kandidatur bekanntgab. Das New Yorker Boulevardblatt ‹Daily News› hievte Trump als Clown auf das Cover, ‹Der Spiegel› fragte: ‹Ist diese Groteske ernst zu nehmen? Die meisten TV-Kommentatoren lachten sich erstmals schief.› Die Republikaner würden hoffen, ‹dass er an den Hürden scheitert, die die Networks für die TV-Debatten verordnet haben›, denn wer dort teilnehmen will, muss in den Umfragen wenigstens in den Top Ten rangieren. Und der ‹Tages-Anzeiger› schrieb: ‹Trump wird niemals Präsident, er hat nicht mal Aussenseiterchancen wie Ross Perot 1992›. Bei uns schaffte es die Meldung von der Kandidatur Trumps nicht einmal in die ‹Tagesschau› oder ins ‹10vor10›. Dafür widmete ‹Glanz & Gloria› dem Partylöwen und Immobilientycoon einen zweiminütigen, farbenfrohen und mit viel Ordinärem gespickten Bericht.

Trump steht unter anderem für den Protest gegen das Establishment, ja gar für den Protest gegen die wachsende Kluft von Arm und Reich, eine Ironie sondergleichen, gemessen an seinem eigenen Milliardenvermögen.

Heute ist alles anders. Alles deutet darauf hin, dass Trump, diese wandelnde Beleidigung des guten Geschmacks, von den Republikanern zum Herausforderer von Hillary Clinton nominiert wird. Über die Gründe dafür ist schon vieles geschrieben worden. Herkömmliche Fähigkeiten wie Dossierkenntnisse, Intellektualität und würdiges Auftreten gehören nicht dazu. Hingegen imponiert seine Rüpelhaftigkeit, und zwar nicht nur den kleinen Leuten, den ökonomischen und gesellschaftlichen Verlierern der Globalisierung. Der Zuspruch geht – wie Wählerbefragungen gezeigt haben – quer durch alle sozialen Schichten, von Jung bis Alt, von Männern bis Frauen. Trump steht unter anderem für den Protest gegen das Establishment, ja gar für den Protest gegen die wachsende Kluft von Arm und Reich, eine Ironie sondergleichen, gemessen an seinem eigenen Milliardenvermögen.

Trump ist aber auch ein Produkt unserer medialen Zeit. Clever wie kein anderer nutzt er die Empörungsenergie einer kritischen Öffentlichkeit, die sich im digitalen Raum ihre Kanäle erobert hat.

Trump ist aber auch ein Produkt unserer medialen Zeit. Clever wie kein anderer nutzt er die Empörungsenergie einer kritischen Öffentlichkeit, die sich im digitalen Raum ihre Kanäle erobert hat. Dank seinen Millionen von Twitter- und Facebook-Followern genügt ein provokativer Pieps von ihm, und schon ist er wieder in den Schlagzeilen. Das kostet ihn weder Energie noch Geld, garantiert ihm aber maximale Aufmerksamkeit. Trump gab bisher im Vergleich mit seinen Konkurrenten nur einen Bruchteil für Werbegelder aus. Umgekehrt proportional dazu verhält sich seine Dauerpräsenz in den Medien, Trump hier, Trump dort, Trump überall.

Gerade deshalb ist Trumps Aufstieg – so paradox es klingt – auch eine Geschichte über den Bedeutungsverlust der traditionellen Medien.

Gerade deshalb ist Trumps Aufstieg – so paradox es klingt – auch eine Geschichte über den Bedeutungsverlust der traditionellen Medien. Diese sind nicht mehr die originäre Quelle des Geschehens und der Debatten, sondern sind parasitär, indem sie das schrille Treiben in den Sozialen Medien aufnehmen und wiederverwerten. Und gleich noch ein Paradox: Trump mag keine Werbespots für sich selber schalten, jedoch treiben seine vielen Auftritte auf allen Kanälen deren Werbeeinnahmen in ungeahnte Höhen, weil die Einschaltquoten mit Trump in ebenso ungeahnte Höhen klettern.

Ob es Trump am Schluss zum Spitzenkandidaten der Republikaner schafft oder nicht, wir freuen uns auf eine spannende Wahlberichterstattung!

Diese Mechanismen werden sich noch akzentuieren, kommt es am Ende tatsächlich zum Duell zwischen Donald Trump und Hillary Clinton. Und natürlich kommen auch wir nicht darum herum zu berichten – anders noch als im Juni vergangenen Jahres. So haben wir beschlossen, im September und Oktober die drei grossen Fernsehduelle der Kandidaten mit Offkommentar und Simultandolmetscher in der Nacht live auszustrahlen. Die Wahlnacht vom 8. auf den 9. November werden wir angesichts des Spardrucks nicht mehr mit eigenen aufwendigen Resultateaufbereitungen und Schaltungen zu unseren Sonderkorrespondenten bestreiten. Es gibt jedoch ein moderiertes Nachtspezialprogramm mit Gästen, Social-Media-Elementen und dem Programm von CBS und CNN, bevor am Morgen eine neue Crew von ‹Tagesschau› und ‹10vor10› für eine Sondersendung übernimmt. Zur Primetime am Mittwochabend schliesslich sendet die Rundschau ein 90-minütiges Special mit Susanne Wille vor Ort in den USA. Ob es Trump am Schluss zum Spitzenkandidaten der Republikaner schafft oder nicht, wir freuen uns auf eine spannende Wahlberichterstattung!»

Text: CR-Newsletter, Tristan Brenn

Bild: SRF/Oscar Alessio

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