4. Medienforum der SRG Ostschweiz

«Sendeschluss?» - ein Podium zur No-Billag-Initiative

Am 4. Medienforum der SRG Ostschweiz diskutierten Edith Graf-Litscher, Silvio Lebrument, Ruedi Matter, Lukas Reimann und Lukas Weinhappl über die Folgen der «No-Billag-Initiative». Gastreferent war der neue SRG-Generaldirektor Gilles Marchand. Die Argumente von Befürwortern und Gegnern lassen sich in vier Gruppen zusammenfassen.

Der freie Markt regelt alles

Lukas Reimann ist SVP-Nationalrat aus St. Gallen, Lukas Weinhappl Präsident der Jungfreisinnigen Thurgau. Beide gehören sie zum Kernteam der No-Billag-Initianten. Zentral für sie sind die «Zwangsgebühren» der Billag. «Uns wird etwas aufs Aug gedrückt, das wir gar nicht wollen oder gar nicht konsumieren», sagt Weinhappl. Jeder soll sich frei informieren und unterhalten dürfen und nur für den Konsum bezahlen. Mit der Initiative bekämen die Leute «die Entscheidungsfreiheit, was sie wann konsumieren wollen». «Überlassen wir es dem Markt.» Beide sind sie überzeugt, «dass Qualität auf dem Markt immer nachgefragt wird». Wenn die «Zwangsgebühr» wegfällt, stünden Millionen von Franken zum freien Medienkonsum zur Verfügung. Und Reimann folgert: «Bei einem liberalen Modell, bei dem der Konsum einzelner Sendungen bezahlt wird, gäbe es auch Junge, die heute nichts, dann aber sogar mehr als die Billag-Gebühr bezahlen würden.»

Der private Regionalfürst

Als «Geschäftsführer Medien» der Somedia verantwortet Silvio Lebrument auch die konzessionierten Radio Südostschweiz und TV Südostschweiz. Für ihn ist klar: «Die Initiative geht zu weit. Sie will die Abschaffung der SRG und der privaten Radio- und Fernsehstationen. Ihre Annahme wäre fatal und würde in unserem Land einiges sehr stark auf den Kopf stellen.» Lebrument stellt nüchtern fest, dass die Privaten fünf bis sechs Prozent aller Gebühreneinnahmen erhalten: «Das sind 25 Franken pro Jahr.» «Dabei müssen sich die regionalen Stationen wegen der Qualität nicht verstecken.» Struktur und Grösse der Region sei entscheidend: «Bei uns ist regionales Fernsehen über die Werbung nicht finanzierbar, und ein Abonnementmodell funktioniert ganz sicher nicht.» Ohne Gebühren müsste sich TV Südostschweiz «radikal wandeln, ausländische, billige Serien einkaufen für ein entsprechendes Werbeumfeld und sicher keine Nachrichten und Regionalinformationen mehr machen».

Die Staatspolitikerin

Die Thurgauer SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher ist Mitglied der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen. Sie argumentiert staatspolitisch, wenn sie zu den Bereichen, in denen «der Markt allein nicht spielt» – Landwirtschaft, Kultur, Schule, Gesundheitswesen, öffentlicher Verkehr – auch die Medien zählt. Service public, so ihre Folgerung, lasse sich nur über Steuern und Gebühren finanzieren. «In unserer direkten Demokratie müssen wir der vierten Gewalt, den Medien, Sorge tragen, und deshalb braucht es eine starke, gebührenfinanzierte SRG und starke, gebührenfinanzierte private Radio- und Fernsehstationen.» Sie braucht es aber auch «für den Zusammenhalt in unserer viersprachigen, kleinräumigen Schweiz». Für Graf-Litscher ist die Abstimmung am 4. März 2018 «eine Abstimmung zwischen weiterhin gebührenfinanziertem oder kommerziellem Radio und Fernsehen», «zwischen Medienvielfalt und medialem Einheitsbrei». Sie ist überzeugt, «dass sich unabhängige, neutrale Information und Berichterstattung nur über Gebühren finanzieren lassen».

Der erfahrene Medienprofi

Ruedi Matter, Direktor von Radio und Fernsehen SRF, argumentiert aufgrund seiner reichen Erfahrung bei privaten und öffentlichen Medien. Zur Ausgangslage: «Wir versuchen sehr guten Journalismus in anspruchsvoller Qualität zu machen. Alle bezahlen Gebühren und alle nehmen am politischen und gesellschaftlichen Leben teil. Also sollen unsere Inhalte allen zukommen, und alle sollen kompetent informiert werden.» Matter bezieht sich auf eine Grundidee der Schweiz, den Genossenschaftsgedanken: „Alle zahlen einen überschaubaren Betrag, um Bedeutendes zu bekommen.» Das ist «eine grosse Programmvielfalt – Information und Sport, Kultur und Unterhaltung -, die nicht mit Werbung und einzelnen Beiträgen, sondern nur mit Gebühren finanziert werden kann». Schliesslich verweist Matter auf Länder mit Gebührensystem: «Gebührensysteme bewirken einen hohen Anspruch an die Qualität der Medien und garantieren Medienvielfalt auch beim Print».


Das «Wir-Gefühl» stärken

«Die SRG muss sich auf ihren Auftrag konzentrieren und ihn bestmöglich erfüllen», meint Gilles Marchand am Medienforum in St. Gallen: «Unsere höchste Priorität ist und bleibt, dem vielfältigen Publikum in der Schweiz ein gutes Vollprogramm anzubieten und das in allen Landessprachen».

Er formuliert fünf Prioritäten:

  1. Wir wollen die Menschen mit unseren Programmen zusammenbringen und das «Wir-Gefühl» stärken.
  2. Wir wollen die Unabhängigkeit unserer Redaktionen und die Qualität unserer Angebote sicherstellen.
  3. Wir müssen den digitalen Wandel innerhalb der SRG weiter vorantreiben.
  4. Wir müssen Programmangebote für das junge Publikum entwickeln.
  5. Wir müssen zur kulturellen Produktion unseres Landes beitragen.

Der neue Generaldirektor fordert und fördert die Zusammenarbeit in der Medienbranche:

  1. Die SRG bietet seit anfangs Oktober den privaten Medienakteuren gratis und einfach Videos im Bereich der News an.
  2. Die SRG offeriert den interessierten Privatradios eine unkomplizierte Übernahme der SRG-Radionachrichten.
  3. Die SRG fördert und sucht weitere Kooperationen mit interessierten Universitäten und Hochschulen im Bereich Medien-Innovationen.

Erich Niederer, Präsident SRG Ostschweiz

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