Bedrohliche Zeiten

Nein zur Halbierungsinitiative, aber eine Senkung der Haushaltabgabe auf 300 Franken und eine Befreiung weiterer Firmen von der Unternehmensabgabe: Was Bundesrat Albert Rösti am 8. November verkündete, war eine Mischung aus Freude und Schrecken für die SRG.

Zwar war zu erwarten, dass der Bundesrat die Volksinitiative ablehnen wird, auch wenn Albert Rösti in seiner Zeit als Nationalrat noch einer der Urheber des Volksbegehrens war. Ein direkter oder indirekter Gegenvorschlag war in der Luft gelegen, aber was Rösti durch das Gremium brachte, war ein dritter Weg: Ohne Verfassungs- oder Gesetzesänderung will er der SRG rund 170 Millionen Franken entziehen, indem er die Verordnung zum Radio- und Fernsehgesetz so ändert, dass die Haushalt- und Unternehmensabgaben weniger hoch ausfallen, also insgesamt weniger einbringen.

Bemerkenswert daran: Der Bundesrat schickt diese Verordnungsänderung in eine Vernehmlassung. Dazu wäre er nicht verpflichtet, er hätte diese Änderungen beschliessen können, ohne jemand zu fragen; das Parlament hat ohnehin nichts dazu zu sagen. Man darf also annehmen, dass der Bundesrat wissen will, ob er einen Weg gefunden hat, um die SRG-Kritiker zu befriedigen, ohne die SRG-Freunde zu stark auf die Palme zu bringen. Diese Antwort ist bereits gegeben: Die Initianten erachten die Massnahmen als völlig ungenügend, die SRG und ihre Verbündeten befinden sie als völlig überrissen und Angriff auf die publizistische Leistung.

Inzwischen hat die SRG bereits ihre Vernehmlassungs-Antwort veröffentlicht. Sie zeigt auf, dass der SRG neben der Einbusse durch die Senkung der Abgaben weitere Einnahmen entgehen, weil der Bundesrat den Teuerungsausgleich auf der Mittelzuweisung gestrichen hat, vor allem aber, weil die Werbeeinnahmen weiterhin abnehmen werden. Insgesamt rechnet die SRG mit einem Rückgang um 240 Millionen Franken, was bei einem Jahresbudget von gut 1,5 Milliarden Franken 16 Prozent ausmacht. Ein solcher Rückgang lässt sich nicht aus dem Betrieb heraus einsparen, sondern es müssen Leistungen abgebaut werden. Die SRG führt dies in ihrer Vernehmlassung klar aus.

Gerade aus unserer Sicht müssen wir dies mit Sorge betrachten: Die regionale Verankerung ist ein zentrales Element der SRG; sie ist gar eine der Kernaufgaben unseres Vereins. Die Informationen von SRF ohne kompetente Journalistinnen und Journalisten vor Ort wären massiv beschnitten. Die Annahme, dass private Medien diese Aufgabe übernehmen würden, ist umso unrealistischer, als der CH-Media-Konzern ausgerechnet am Tag vor dem Bundesratsentscheid seinerseits den Abbau von 150 Stellen bereits im nächsten Jahr angekündigt hat.

Dies gilt übrigens ebenso für die Bereiche Unterhaltung und Sport, die der Bundesrat – im Einklang mit SVP und Gewerbeverband – als entbehrlich für die SRG erachtet und ungeprüft annimmt, dass private Medien diese Leistungen ebenso erbringen können. Ganz davon abgesehen, dass im Leistungsauftrag des Bundesrats Unterhaltung und Sport aufgeführt sind – und dieser Auftrag vom Bundesrat bis 2028 verlängert wurde, also sogar über den Termin der ersten Gebührensenkung hinaus. Was an Unterhaltung auf den privaten Sendern zu sehen ist (die im Übrigen zu CH-Media gehören und somit ebenfalls von Einsparungen betroffen sind), lässt wenig Hoffnung zu, dass aufwändige Produktionen wie beispielsweise ein Donnschtig-Jass dort gleichwertig ersetzt würden.

Als wäre dies alles nicht schon kompliziert genug, hat in der Zwischenzeit das Bundesverwaltungsgericht noch entschieden, dass die Unternehmensabgabe in der jetzigen Form nicht verfassungsgerecht ist. Zumindest in diesem Bereich ist der Bundesratsentscheid also bereits hinfällig.

Das letzte Wort ist in dieser Sache längst nicht gesprochen. Einerseits wird die Vernehmlassung höchst widersprüchliche Resultate ergeben. Andererseits ist auch offen, ob das Parlament nicht doch noch einen Gegenvorschlag einbringen wird, womit dann das Volk zweifellos nicht nur über die Initiative sondern auch über die Alternative abstimmen müsste.

Dies alles ist beunruhigend. Letztlich geht es in dieser unsicheren Zeit um die Qualität der Information, insbesondere um die Unabhängigkeit der Information von einseitigen Interessen. Wir wollen sicher keine Verhältnisse wie in Ländern, wo irgendein Milliardär alle Medien beherrscht oder die öffentlichen Medien staatlich beherrscht sind und die Chefredaktionen nach jedem Regierungswechsel ausgetauscht werden.

Ich zweifle keinen Moment daran, dass die SRG – wie jeder Grosskonzern – von Zeit zu Zeit ihre Kostenstruktur überprüfen muss, um jene Fettpolster wieder loszuwerden, die sich sachte immer wieder aufbauen. Was von der Politik jetzt vorgelegt wird, ist aber keine Diät, sondern eine Hungerkur, die nicht nur die Gesundheit, sondern die Existenz gefährdet.

Text: Peter Moor, Präsident SRG Aargau Solothurn

Bild: Daniela Desborough