Blick-TV: nach wie vor ein ungewöhnliches Seherlebnis

Seit dem 16. Februar ist Blick-TV live. Sowohl über die Webseite als auch über die App verbreitet Blick sein TV-Programm im Kleinformat, das auf Klick den ganzen Bildschirm füllt. Seherlebnisse von Peter Moor-Trevisan, Präsident der SRG Aargau Solothurn und Journalist.

Nach wie vor scheint es mir ein mutiger Schritt von Ringier, seine Marke «Blick» mit einem Live-TV-Programm zu ergänzen. Mit Jonas Projer und Reto Scherrer wechselten zwei grosse Namen von SRF zum neuen Produkt, und sie sind nach wie vor die Aushängeschilder – auch wenn mir Reto Scherrer auch heute noch im Anzug wie verkleidet erscheint.

Das Grundprinzip entspricht stark den Regionalsendern (oder auch Radio SRF Info): Einmal live produzierte Inhalte werden in unterschiedlicher Abfolge wiederholt. Wobei Blick-TV vergleichsweise wenig Fixzeiten hat und die Wiederholung keiner sofort erkennbaren Logik folgen. Rubriken sind neben News beispielsweise People, Sport oder Gesundheit. Das Programm profitiert stark von den andern Produkten aus dem Haus Ringier, so greift «People» etwa auf das Wissen der Schweizer Illustrierten zurück. Umgekehrt profitiert die Blick-Webseite stark von den Video-Beiträgen des TV-Programms, die in die jeweiligen News-Rubriken eingegliedert werden. Für ein privates TV-Programm angenehm ist, dass Werbung nur selten vorkommt – aber das dürfte der Verleger anders sehen...

Blick-TV ist eindeutig kein Programm zum Durchsehen, sondern es ist auf kurzes Einschalten ausgerichtet. Davon ausgenommen sind gewisse politische Inhalte, bei denen Blick-TV auch aus seinem Raster ausbricht. So moderiert Jonas Projer vor den eidgenössischen Abstimmungen jeweils Streitgespräche, die mit der Stoppuhr ausgewogen geführt werden. Anschliessend kann das Publikum seine Stimme abgeben für die eine oder andere Position, und wer gewinnt, kann gratis im gedruckten «Blick» ein grosses Inserat schalten. Allerdings musste bei der ersten Durchführung die Abstimmung wegen technischen Problemen abgebrochen werden.

Überhaupt ist die Technik die Schwachstelle: Die Beiträge werden fortlaufend untertitelt, aber dies gelingt auch nach einem halben Jahr noch nicht wirklich gut. Die Untertitel sind massiv verzögert. Das irritiert sowohl beim Sehen mit laufendem Ton, da Wort und Schrift weit auseinanderliegen, aber auch beim Sehen ohne Ton, da häufig nicht mehr die Person im Bild ist, deren Aussage im Untertitel erscheint.

Insgesamt erachte ich Blick-TV als interessante Ergänzung der Blick-Palette, die mit der gedruckten Zeitung, der Webseite, der App und dem Live-TV eine Breite erreicht, die in der Schweiz einmalig ist. Das TV-Programm ist deutlich weniger auf Boulevard ausgerichtet als die andern Kanäle; wenn politische Inhalte aktuell sind, bereitet diese Blick-TV kompetent und mediengerecht auf, auch mit Live-Schaltungen zu Reporterinnen irgendwo vor Ort – was manchmal bereichert, gelegentlich aber mangels Inhalt auch eher befremdet. Dennoch: In meinem Medienverhalten ändert sich mit Blick-TV nichts, da die Themenauswahl eher zufällig wirkt. Vor allem aber bringt mir die Mini-Mini-Einspielung im untersten Bereich der App mehr Irritation als Nutzen.

Text: Peter Moor-Trevisan, Präsident SRG Aargau Solothurn