Journalismus und andere Informationen

Augenzeugenberichte in sozialen Medien, Blog-Artikel von Kommunikationsabteilungen, «alternative Medien». Ja, die Auswahl an Quellen ist in den letzten Jahren explosionsartig angestiegen. Aber mit Journalismus hat das nur bedingt zu tun.

«Warum suchen sich die Menschen denn andere Quellen als die Massenmedien?», fragte kürzlich ein Zuschauer bei einem Podiumsgespräch, an dem ich teilnehmen durfte. Seine Antwort lieferte der Mann gleich mit: «Man muss sich ja nicht darüber wundern, wenn alle grossen Medienhäuser dasselbe berichten», sagte er sinngemäss. Was antwortet man als professioneller Journalist auf diese Feststellung bzw. diesen «Vorwurf»?

Ja, es gibt einen teils ungesunden «Herdentrieb» bei Medienschaffenden. Es gibt Geschichten, die von Medium zu Medium weitererzählt werden. Und manchmal sind es leider auch falsche oder kaum verifizierbare Informationen, die sich so ihren Weg durch die Welt bahnen (kürzlich von übermedien.ch am Fall der Trauerfeier der Queen aufgezeigt). Es gibt auch nur vermeintlich grosse Debatten, welche vor allem durch die Medien selbst angestachelt werden (ich denke an Diskussionen zur «kulturellen Aneignung», die zumindest teilweise gemäss fairmedia.ch auf sehr wackligen Beinen standen... oder die ganze «Wokeness»- und Feminismus-Debatte, von Komiker Aurel Mertz im ZDF thematisiert).

Gemeinsame Grundwerte sind nicht «Mainstream»
Aber: Es gibt ja auch Themen, die tatsächlich einfach wichtig sind und deshalb natürlich von (fast) allen Medien bearbeitet werden. Den Krieg in der Ukraine zum Beispiel kann und darf kein westeuropäisches Medium ignorieren. Zu gross ist das Elend in den betroffenen Regionen, zu direkt sind die Auswirkungen (z.B. bezüglich Energie) auf uns. Und es gibt Grundwerte, welche in den meisten Medienhäusern als Basis der Arbeit gelten – zum Beispiel die Achtung der Menschenrechte und der Demokratie.

Für die einen oder anderen mag dies bereits als «Mainstream» gelten, für mich ist es die unverhandelbare Basis einer zivilisierten Gesellschaft. Mit einer «Gleichschaltung» oder gar unsichtbaren Steuerung durch ein wie auch immer geartetes transatlantisches Netzwerk (auch dieser Vorwurf wurde vom Fragesteller am Podium erwähnt in seiner Frage) hat das nichts zu tun.

Vor allem aber gibt es journalistische Prinzipien und Standesregeln. Die seriöse Prüfung von Fakten beispielsweise, die klare Angabe von Quellen für jede einzelne Information oder die faire Gegenüberstellung von Argumenten. Nachzulesen zum Beispiel im Journalistenkodex des Schweizer Presserats oder auch in den publizistischen Leitlinien von SRF. Nur wer sich an diese Regeln hält, macht wirklich Journalismus.

Journalismus macht, wer sich an Regeln hält
Dazu gehört aber auch, dass man sagt, wenn etwas unklar ist. Und dazu gehört auch, dass man sagt, wenn es einen weit verbreiteten Konsens gibt, beispielsweise in der Wissenschaft. «False Balance» ist zwar auch ein überstrapaziertes Schlagwort geworden, aber – richtig verstanden, wie im verlinkten Artikel der Medienwoche dargestellt – eben doch kein Qualitätsmerkmal.

Mediale Angebote wie «Klagemauer TV», «Nachdenkseiten» oder «Russia Today» zum Beispiel sind damit zwar vielleicht spannend für Konsumentinnen und Konsumenten, aber sie sind eben keine journalistischen Medien. Dasselbe gilt für die unzähligen Socialmedia-Kanäle von Behörden und Firmen, welche zwar oft durchaus interessante Informationen verbreiten, aber eben nicht journalistisch aufbereitete Informationen. Bei «alternativen Medien» stehen häufig politische, bei PR-Aktionen von Firmen natürlich wirtschaftliche Interessen im Vordergrund.

Was selbstverständlich nicht bedeutet, dass jede einzelne Meldung falsch ist. Immer mal wieder bringen einzelne Artikel auch mich ins Grübeln. (Zu) oft aber stosse ich aber nach einer kurzen Recherche auf Widersprüche, auf zu viele offene Fragen oder auf eine (zu) einseitig gewählte Perspektive. Und ja, das passiert (leider) auch bei sogenannten «Mainstream-Medien» ab und zu. Hier aber werden Fehlleistungen wenigstens häufig früher oder später öffentlich bekannt: Sei es durch Mitteilungen des Presserats, Urteile der unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) oder die verschiedenen Ombudsstellen der Verlage und Medienhäuser.

4-Augen-Prinzip und Feedbackkultur
Wir wissen, welch grossen Aufwand jede einzelne Beschwerde bei der Ombudsstelle der SRG Deutschschweiz auslöst. Ich arbeitete an den Stellungnahmen – es waren bisher glücklicherweise nur vereinzelte – jeweils zwischen einem halben und einem ganzen Tag! Und selbstverständlich wollen ich und mein Team die öffentliche Schmach von Rügen durch Ombudsstelle oder UBI vermeiden. Das führt zu einem grossen Qualitätsbewusstsein, zum konsequenten 4-Augen-Prinzip und zu ausführlichen Feedback-Runden an den Redaktionssitzungen.

Wir hinterfragen unsere Arbeit täglich kritisch und lernen aus Fehlern. Auch aus einzelnen Rückmeldungen von Hörerinnen oder Nutzern, die sich direkt bei uns melden. Auch darin sehe ich einen Unterschied zwischen journalistischer Arbeit und PR oder Propaganda: «Alternative» Quellen arbeiten häufig vor allem für die eigenen «Fans», unser Ziel hingegen ist die sachgerechte Information zur Zufriedenheit möglichst aller Nutzerinnen und Hörer.

Leider gelingt es uns offensichtlich nicht ganz, wie die Frage des Besuchers an diesem Podium zeigte. Das ist deshalb sicher eine unserer Herausforderungen für die Zukunft. Wir müssen zeigen, dass wir journalistischer arbeiten als andere Quellen. Erstens, in dem wir noch mehr Wert auf Qualität und Sachgerechtigkeit legen. Zweitens aber auch, indem wir nicht nur über unsere Themen, sondern auch über unsere eigene Arbeitsweise sprechen. Deshalb nehme ich gerne an solchen Podien teil und versuche solche Fragen aus dem Publikum zu beantworten.

Text: Maurice Velati, Leiter Regionalredaktion SRF

Bild: Pixabay